Genossenschaftliches Wohnen bedeutet tiefe Mietzinse und gute nachbarschaftliche Kontakte. Damit kann diese Wohnform Menschen im Rentenalter ein längeres selbstständiges Leben ermöglichen.

VON KARIN MEIER

Wohnbaugenossenschaften zeichnen sich durch eine Reihe von Gemeinsamkeiten aus. So sind sie nicht gewinnorientiert. Aus diesem Grund verrechnen sie ihren Mieterinnen und Mietern eine sogenannte Kostenmiete. Diese ist nur so hoch, dass sie sämtliche anfallenden Kosten deckt. Laut dem Schweizerischen Verband für Wohnungswesen SVW sind die Mietzinse von Genossenschaftswohnungen deshalb im Durchschnitt rund 20 Prozent tiefer als die von Marktobjekten. Gerade für Pensionierte, die von ihren Renten bzw. ihrem Kapital leben müssen, ist das Wohnen in einer Genossenschaft deshalb attraktiv.

Mieter sind Genossenschafter

Weiter sehen Wohnbaugenossenschaften in der Regel eine finanzielle Beteiligung der Mieterinnen und Mieter vor. Viele verlangen, dass man Genossenschafter wird und einen Genossenschaftsanteil erwirbt. Dessen Höhe beträgt meist eine vier- bis tiefe fünfstellige Summe.  Als Genossenschafter kann man an der Generalversammlung Anträge stellen, über Geschäfte abstimmen und die Mitglieder des Vorstands wählen. Wer in der Organisation eine aktivere Rolle übernehmen möchte, kann sich in den Vorstand wählen lassen oder eine Funktion in einer Arbeitsgruppe übernehmen.

Manche Wohnbaugenossenschaften fordern nebst einem Genossenschaftsanteil zusätzlich ein Pflicht darlehen ein. Bei maettmi 50plus in Mettmenstetten müssen die meisten Mieterinnen und Mieter der Genossenschaft ein Pflichtdarlehen in der Höhe von 50 000 Franken gewähren. Zudem steht ihnen die Möglichkeit offen, ein freiwilliges Pflichtdarlehen von 250 000 Franken einzubringen, das zu 2¼ Prozent verzinst wird. «Unsere Wohnungen wurden für Einfamilienhausbesitzer aus dem Dorf konzipiert, die sich in der  nachfamiliären beziehungsweise dritten und vierten Lebensphase befinden und in eine Wohnung ziehen wollen. Mit dem Verkauf des Einfamilienhauses erhalten sie Geld, das sie bei uns günstig anlegen können», sagt Ruedi Werder, Präsident der Genossenschaft maettmi50plus. Beide Pflichtdarlehen werden mit dem Auszug der Mieter zurückerstattet. maettmi50plus ist nicht die einzige Wohnbaugenossenschaft, die sich an ein bestimmtes Publikum richtet. Sie ist allerdings ein Beispiel dafür, dass man die Zielgruppe nicht zu eng definieren sollte: Die Bewohnerinnen und Bewohner sind zwischen drei und 87 Jahre alt, das Durchschnittsalter liegt bei 64 Jahren. Ausserdem werden nur zwei der 23 Wohnungen der Überbauung von ehemaligen Haus eigentümern aus Mettmenstetten bewohnt. Insgesamt leben in zwölf Wohnungen ehemalige Wohn eigentümer, und in fünf Wohnungen sind Einheimische eingezogen. «Das Interesse der Dorfbevölkerung am Projekt war zwar gross. Die meisten wurden jedoch nur erst Genossenschafter und haben noch keine Wohnung gemietet, da sie weiterhin in ihrem Einfamilienhaus bleiben möchten », sagt Ruedi Werder.

Das nachbarschaftliche Netz fängt vieles auf

Wohnbaugenossenschaften stellen ihren Mieterinnen und Mietern oft Räume zur Verfügung, die sie zusätzlich zu ihren Wohnungen nutzen können. Bei der Hausgemeinschaft 55+ Ruggächern im zürcherischen Affoltern, die sich an Menschen ab 55 richtet, sind dies etwa eine Bibliothek mit Sitzplätzen, ein Fitnessraum, eine Sprudelwanne, ein Computerraum, ein Gemeinschaftsraum sowie ein Gästezimmer. In der Überbauung an der Brandstrasse in Uster, die durch drei Genossenschaften für Menschen im Alter 50plus realisiert wurde, besteht die gemeinschaftliche Infrastruktur aus einem Gemeinschaftsraum, einem Mehrzweckraum, einer Werkstatt, einem Gartenpavillon sowie einem Gäste zimmer.

Das Gros dieser Räume dient dazu, nachbarschaftliche Kontakte zu fördern. Dies können gemeinsame Znünis, Mittagessen oder Aperos sein, aber auch Hobbys, denen man mit Gleichgesinnten nachgeht, etwa Malen, Fitness, Jassen oder Ausflüge. Von wem die Initiative für gemeinsame Aktivitäten ausgeht, ist von Wohnbaugenossenschaft zu Wohnbaugenossenschaft unterschiedlich. Einige, darunter die Hausgemeinschaft 55+ Ruggächern, haben eine Hauskommission eingesetzt, die Anlässe für die Mieterschaft plant. Andere, wie maettmi50plus, überlassen deren Organisation bewusst den Mieterinnen und Mietern selbst. Auch der Grad der Freiwilligkeit ist unterschiedlich: In den Überbauungen mancher Wohnbaugenossenschaften verträgt es durchaus den einen oder anderen Eigenbrötler. In anderen hingegen ist ein aktives Engagement sogar vertraglich festgehalten. Für Menschen, die beruflich noch stark eingebunden sind, kann  eine solche Wohnform daher weniger interessant sein.

So oder so ergeben sich in einer Genossenschaft überdurchschnittlich viele Sozialkontakte, was einer Vereinsamung entgegenwirkt. Ausserdem kann die gut funktionierende Nachbarschaft erste Zeichen der Gebrechlichkeit auffangen. Die Rüstigeren unterstützen die anderen beim Einkauf, begleiten sie zu Arzt- oder anderen Terminen, tragen schwere Sachen oder bieten Chauffeurdienste an. Und ist jemand vorübergehend krank, helfen die anderen aus. Gerade älteren Menschen kann das genossenschaftliche Zusammenleben deshalb die Möglichkeit bieten, länger weitgehend selbstständig zu leben.