DAS AUGE

Mit den Augen nehmen wir nicht nur unsere Umgebung wahr, machen uns ein Bild von Gegenständen und können uns so orientieren. Das Auge hat auch einen hohen psychologischen Stellenwert. Schauen sich zwei Menschen in die Augen, gewähren sie einander einen Blick in ihre Seelen. Oft entscheidet nur ein kurzer Blickkontakt über Sympathie oder Ablehnung eines Gegenübers. Dadurch zählt das Auge zu einem unserer wichtigsten Sinnesorgane.

Autor: PD Dr. med. Johannes Fleischhauer

Als Teil unseres Zentralnervensystems ist das Auge, so klein es im Vergleich zu anderen Organen auch sein mag, sehr komplex aufgebaut. Vorne sitzt die Hornhaut, anschliessend die Linse, dann die Iris mit ihren Strukturen zur Regulierung des Augeninnendrucks und dann natürlich die Netzhaut, mit der wir das optische Bild der Aussenwelt wahrnehmen. Dieses Bild wird dann an das Zentralnervensystem weitergeleitet und verarbeitet, was uns schliesslich ermöglicht, die Umgebung bewusst wahrzunehmen.

Wenn die Linsen plötzlich trüb werden
Die häufigste Veränderung im Auge entsteht durch eine altersbedingte, degenerative Trübung der Linse. Der „graue Star“ oder Katarakt ist weniger eine Erkrankung als viel mehr eine Folge der längeren Lebenserwartung. Die Symptome sind eine schlechtere Sehschärfe oft verbunden mit dem Gefühl, durch einen ständigen Grauschleier sehen zu müssen. Besonders nachts wird es plötzlich schwieriger, Kontraste auszumachen.
Die moderne Medizin hat zur Behandlung des grauen Stars schon vor dem zweiten Weltkrieg eine Operation entwickelt. Dabei wurde einfach die Linse vom Auge entfernt. Ersetzt hat man die fehlende Linse mit starken Brillen. So erinnert man sich vielleicht noch an die eigenen Grosseltern, die mit dicken „Flaschenböden“ als Brillen wieder einigermassen gut sehen konnten. Einen grossen Fortschritt brachte eine zufällige Erkenntnis aus dem Krieg. Kampfpiloten ertrugen nach Unfällen in ihren Flugzeugen Splitter der Kabinenhauben aus Plexiglas, die sich in ihren Augen festsetzten ohne Abstossungsreaktionen.
Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelte der englische Augenarzt Sir Harold Ridley die Technik, die starken Brillengläser direkt ins Auge hinein zu implantieren. So entstand die sogenannte Kunstlinse. Dies brachte eine Revolution in der Augenheilkunde indem nach einer grauen Star Operation in vielen Fällen wieder ohne Brille gut gesehen werden kann.

Wenn plötzlich eine gerade Linie Kurven kriegt.
Die zweithäufigste Erkrankung, welche im Alter am Auge auftritt ist die Maculopathie (AMD ) oder im Volksmund Macula genannt. Sie tritt ab einem Alter von 60 Jahren immer häufiger auf. Bei den über 75jährigen leidet in der Schweiz jeder 6.- 8. Einwohner an irgendeiner Form dieser Erkrankung. Wie der graue Star äussert sie sich durch eine Verschlechterung der Sehschärfe, welche häufig beim Lesen bemerkt wird. Des Weiteren können auch Deformationen der betrachteten Objekte auftreten. So kriegt vielleicht eine gerade Linie plötzlich Kurven. Auch bei dieser Gruppe von Erkrankungen handelt es sich um degenerative Prozesse, die sich jedoch nicht auf der Linse sondern in der Netzhaut abspielen. Dabei kommt es zu einer Anhäufung von Abfallprodukten, welche vom Körper nicht mehr abtransportiert werden können und dadurch zur Ausbildung sogenannter Drusen in und unterhalb von der Netzhaut führen.

Grundsätzlich kann man zwischen zwei Formen der Maculopathie unterscheiden: der «trockenen Form» welche ca 90% ausmacht und bei rund 10% der Fälle einer sogenannt «feuchten Form». Im Verlauf der Erkrankung kann die Sehschärfe bei beiden Formen soweit abnehmen, dass das Lesen schlussendlich nicht mehr möglich ist. Bei der trockenen Form ist leider noch keine Behandlung möglich. Einzig eine Therapie mit Vitamin- und Spurenelemente (Vitalux und Vitalux plus oder ähnliches) kann das Fortschreiten etwas verlangsamen.
Bei der feuchten Form führen neugebildete Blutgefässe in der Netzhaut zu ihrer schrittweisen Zerstörung. Mit regelmässigen Spritzen ins Auge (alle 4-8 Wochen im Schnitt) mit einem Medikament (EYLEA® oder LUCENTIS®) werden diese Blutgefässe vernichtet und man kann so den Prozess der Erkrankung aufhalten. Andere Behandlungen haben bisher keinen Erfolg gezeigt.
Da die Maculopathien eine gewisse erbliche Komponente aufweisen, sollte beim Vorliegen dieser Erkrankung in der Familie eine Kontrolle beim Augenarzt erfolgen.

Eine weitere kleine Untergruppe von Maculaerkrankungen kann mit einer Operation behandelt werden, wenn sich eine Vernarbung über dem Zentrum der Netzhaut ausbreitet oder ein Loch direkt im Netzhautzentrum entsteht. Diese Art der Maculaerkrankung betrifft aber nur ca. 1% der Bevölkerung, ist also relativ selten im Vergleich zu den altersbedingten Veränderungen.

Ab 50 den Augendruck messen lassen
Eine dritte recht häufige Erkrankung des Auges ist der „grüne Star“ oder das Glaucom. Dies tritt ungefähr in der gleichen Häufigkeit auf wie die Maculopathien. Das tückische an dieser Erkrankung ist allerdings, dass der Patient erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung etwas bemerkt. Leider oft, wenn es schon zu spät ist. Beim Glaucom kommt es zu einer Erhöhung des Augeninnendruckes, der langfristig die Netzhaut zerstört und zur kompletten Erblindung eines Auges führen kann. Da die Erhöhung des Augeninnendruckes meistens ohne Schmerzen vor sich geht, wird empfohlen, sich ab dem Alter von 50 Jahren regelmässig vom Augenarzt untersuchen zu lassen. Das besonders, wenn in der Familie bereits jemand an einem Glaucom erkrankt ist. Heutzutage lässt sich das Glaucom gut mit Augentropfen behandeln. Falls dies nicht reicht bieten sich diverse Operationstechniken an, um den Augeninnendruck auf Werte zu senken, welche nicht mehr gefährlich sind.

Schwerwiegende Erkrankungen der Hornhaut sind hingegen relativ selten und lassen sich in der Regel nur durch eine Operation heilen. Dabei müssen Teile der Hornhaut durch eine Spenderhornhaut eines anderen Menschen ersetzt werden. Das schwierigste heutzutage ist dabei nicht mehr die Operation, sondern das Auffinden von geeignetem Spendermaterial, da die Organspende heute sehr strikte rechtlich geregelt ist und sich leider zu wenige Leute als Organspender zur Verfügung stellen.

Zusammenfassend treten Erkrankungen des Auges im Alter leider häufig auf und regelmässige Kontrollen beim Augenarzt sind besonders zur Früherfassung des Glaucoms notwendig. Die anderen beiden Erkrankungen zeigen meistens Symptome, welche den Patienten automatisch zum Augenarzt führen.

Sämtliche Artikel unserer Organe finden Sie hier.