Dem Glück so nah im Alpstein

Auf dem Appenzeller Aussichtsberg Hoher Kasten startet die herrliche Panoramawanderung: Den Spuren der Erdgeschichte folgend, geht’s auf urigen Bergwegen, durch duftende Alpweiden und an gemütlichen Berggasthäusern vorbei, nach Brülisau. Mit nonstop Traumblicken!

von Karin Breyer

Das 500-Seelen-Dorf Brülisau im malerischen Appenzell avancierte erst um 1964 zu einem beliebten Touristenort, als nämlich zum ersten Mal die Luftseilbahn zum Hohen Kasten schwebte . . . Für Wanderer und Alpinisten ist das inzwischen vielfältige Wegenetz am Fusse des Alpsteins und die «gsondi Loft ond schöni Landschaft» ein kleines Paradies, ein wunderbarer Zufluchtsort jenseits des Alltags, der Erholung pur verspricht. Denn die Natur vollzieht im Bergfrühling genauso wie im Alpsommer ihr sinnliches Spiel von wundervollen Farben und Stimmungen.

Geologischer Wanderweg – Hoher Kasten. Foto von Andrea Mathis

Die aussichtsreiche Bergwanderung startet am Gipfel des Hohen Kasten. Wie atemberaubend, wenn Sie auf knapp 1800 Meter Höhe ins Freie treten und das Auge ins schier Unendliche gleiten darf – der Aussichtsberg erschliesst mit dem Europa Rundweg eine Sicht auf sage und schreibe sechs Länder: Schweiz, Österreich, Fürstentum Liechtenstein, Deutschland, Italien (Monte di Zocca), Frankreich (Grand Ballon). Unübersehbar, das schicke Drehrestaurant, das sogleich zu einem Startkafi und zum Staunen verführt. Denn bei der einstündigen 360Grad Panoramafahrt erwartet Sie ein unvergessliches Bergerlebnis.

Auf den Spuren der Erdgeschichte
Schon vor hundert Jahren tummelten sich begeistert Geologen im Alpstein – lassen sich hier doch besonders eindrücklich Phänomene wie Falten, Überschiebungen und Brüche, kurzum: sämtliche Phasen der Gebirgsbildung auf engstem Raum entdecken. Deren Forschungskenntnisse fliessen heute in den geologischen Wanderweg ein, übrigens der erste der Schweiz: Er führt vom Hohen Kasten entlang der südlichen Kette des Alpsteins in ca. 3 bis 3,5 Stunden zur Bollenwees. Im wahrsten Sinne des Wortes erfahren Sie auf Schritt und Tritt die faszinierende Entstehungsgeschichte der Alpen: wie sie durch Bewegungen im Erdmantel und in der Erdkruste entstanden, welche Gesteinsarten sich herauskristallisierten usw. Eine spannende Zeitreise durch die Erdgeschichte beginnt, die Laien wie Kundige gleichermassen fasziniert. Unterwegs erklären rund 20 Tafeln mit eindrücklichen Texten und Bildern diese Wunder der Natur: Örtliche geologische Besonderheiten sind zu bestaunen, etwa Versteinerungen, Verwitterungsformen, Falten. Besonders eindrücklich wirkt der berühmte Sax-Schwende-Bruch mit der Verschiebung des Ostmassivs um ein paar hundert Meter.

Der abwechslungsreiche, aussichtsreiche Bergpfad beginnt mit einem Abstieg (immer der Markierung «Geologischer Wanderweg» folgend), im Zickzack geht’s zum Kastensattel und weiter in sanftem Bergauf, Bergab und entlang des Grats Richtung Staubern, Saxerlücke. Stets aufs Neue öffnet sich eine bilderbuchschöne Sicht ins Rheintal, nach Vorarlberg und zu den Bündnerbergen, majestätisch erheben sich auch die Urner und Glarner Gipfel. Nach etwa 1 Std., 50 Min. hängt wie ein Adlerhorst das Berggasthaus Staubern überm Rheintal – der ideale Ort, sich auf der Sonnenterrasse gemütlich niederzulassen und kulinarische Köstlichkeiten zu geniessen. Weiter geht’s zur Saxerlücke . . . Von unten glitzert tiefblau der Sämtisersee, zum Greifen nah die Widderalpstöck, rechts davon die Marwees, weiter hinten der Säntis und Altmann. Ein wenig steil ist dann der kurze Weg zum Fälensee – welch Idyll inmitten atemberaubender Bergwelt.

Berggasthaus Bollenwees, Foto Familie Manser

Wie ein «Schmucktröckli» direkt am «schönsten Fjord der Alpen», wie der See gerne schwär merisch betitelt wird, erhebt sich das Berggasthaus Bollenwees. Ob im heimeligen Stübli oder draussen auf der Sonnenterrasse vor erhabener Kulisse: Hier können Sie feinste Appenzeller Köstlichkeiten oder Hausspezialitäten wie geschnetzeltes Kalbfleisch an Rahmsauce und Rösti geniessen; und die Seele erfreut sich an der geglückten Landschaftsinszenierung. Übrigens lässt es sich fabelhaft übernachten auf der Bollenwees. Vom hektischen Alltagsleben Abstand gewinnen, sich genussvoll der Stille und Natur hingeben – was gibt es Schöneres? Die Ruhe der Alpennacht ist einfach göttlich, man kann tief tief durchschlafen, morgens fällt gleich der Blick auf den sonnenbeschienenen Fälensee . . . Irgendwann heisst es Abschied nehmen von diesem malerischen Ort, über schönste Alpweiden und verwunschene Bergwälder, vorbei an grasenden Kühen und meckernden Ziegen, erreichen Sie via Plattenbödeli, Brüeltobel in ca. 2 Stunden Brülisau.

Das Glück so nah

Berggasthaus Plattenbödeli, Foto Rita Inauen

Mehr oder weniger ebenaus marschieren Sie binnen Kurzem zur Furgglenalp, im Rücken die Kreuzberge, der Altmann und Hundstein. Abends wird hier noch der traditionelle Betruf zelebriert: Durch einen Holztrichter ruft der Senn ein Gebet und fleht den Segen des Allerhöchsten für die Alp und das Land. In knapp 50 Minuten erreichen Sie schliesslich den romantischen Sämtisersee – müde Wanderer ruhen sich hier gerne aus –, über einen Aufstieg durch einen Bergwald erreichen Sie schon bald das Plattenbödeli, ein Berghaus im typisch Appenzeller Stil, auf einer grossen sonnendurchfluteten Geländeterrasse gelegen vor erhabener Bergwelt. Fein Hausgemachtes gibt es drinnen oder draussen, das gastronomische Highlight: der Röstiplausch. Hinunter nach Brülisau windet sich, teils steil, ein Kiessträsschen durchs Brüeltobel. Wunderbar still ist es im Wald, immer wieder tauchen Lichtungen auf, ein paar Alphütten, der Brüelbach gluckst und murmelt vor sich hin. Einer Sage zufolge soll hier auch das Glück lauern . . . Unten im Tal angekommen, am Parkplatz Pfannenstiel, lotst der Wegweiser direkt zum Parkplatz Luftseilbahn Brülisau.

Weitere Informationen
unter www.appenzell.ch

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