Die Schweiz begeht den ersten Digitaltag. Ein mediales Grossereignis, welches nicht nur freudig gefeiert wird, sondern in einer breiten Gesellschaftsschicht auch weitere Ängste schürt.

Von Henrik Stahel

Unter «digitalswitzerland» fand soeben der erste Schweizer Digitaltag statt. Was ist die Botschaft dieser Kooperation von Wirtschaft und Politik? Wenn man «Digitaltag» googelt, erscheinen im Lineup zuerst grosse Schweizer Firmen. Irgendwie werde ich da das Gefühl nicht los, dass dieser Event unter dem Deckmantel staatlicher Ehren vor allem den nationalen und globalen Playern dienen will.

Bei der Post heisst es: «Am 21. November 2017 wird der erste landesweite Digitaltag begangen.» Klingt doch irgendwie fast wie eine Prozession. Gehuldigt wird hier der unaufhaltsamen Digitalisierung. Von ABB über Coop, CreditSuisse, Google, Ringier und Swiss bis UBS und Valora: die Partner von digitalswitzerland machen «die Chancen der Digitalisierung greifbar.»

Nun: die Politik ist da, und Doris Leuthard spricht sie an, die Ängste, die neben der ganzen Begeisterung geschürt werden. Erwarten wir aber nicht gerade von der Politik, dass sie diese Entwicklung kritisch durchleuchtet und die ängstliche Bevölkerung auch zunehmend schützen kann vor Missbrauch, Datenlecks und der Privatindustrie, der das Handling wohlwollend übertragen wird.

Bundesrat Schneider-Ammann spricht eine der Hauptängste an, nämlich: seinen Job durch digitale Wegrationalisierung zu verlieren. Er beschwichtig aber, man werde sich um all jene schon kümmern. Mir geht das Ineinander irgendwie zu schnell. Wer soll Transparenz schaffen in der hier zur Schau gestellten geschmeidigen, politisch-wirtschaftlichen Verknüpfung? Irgendwie scheinen mir alle zu glücklich zu sein in der Angelegenheit. «Ist doch alles kein Problem.» Wirklich nicht?

Sicherlich sind wir alle Zeugen «einer historischen Epoche» und blicken dem wackeren Geschehen euphorisch bis ängstlich entgegen. Dieser Fortschritt ist sicherlich nicht aufzuhalten, denn viel Gutes, Schönes und Angenehmes beinhaltet die Digitalisierung ja nämlich auch. Dies als Plus. Auf der Gegenseite braucht es aber viel Aufklärung für jene, die nicht «digital native» sind. Und genau dafür steht doch eigentlich der Digitalday Switzerland.

Digitalswitzerland ist die grosse gemeinsame Initiative von Wirtschaft, öffentlicher Hand und Wissenschaft, welche die Schweiz zum international führenden digitalen Innovationsstandort machen will. So steht es in den Leitlinien geschrieben. Auf der Internetseite unserer Fluggesellschaft Swiss via digitaltag finde ich eine Veranstaltung in Genf mit folgendem Thema: «Der Chatbot von SWISS für Facebook Messenger, das Tool der Zukunft zur Verwaltung von Unregelmässigkeiten.» Mir wird ab diesem Text bereits schwindelig. Offensichtlich habe ich da digital schon wieder was verpasst und muss ich mich schleunigst einer weiteren Schnellbleiche unterziehen.

Eine weitere Veranstaltung von Swiss in Zürich liegt mir schon eher: «Neue Rechte, neue Pflichten, neue Chancen.» Hier werden wenigstens die Pflichten angesprochen. Mir scheint oft, es kann mit den Neuerungen nicht schnell genug gehen. Mitmachen ist eh Pflicht. Meine Grossmutter war bei der Einführung der ersten Touch-Screen-Automaten auf den Bahnhöfen bereits 100-jährig. Nicht das fehlende Verständnis für die neue Technik machte ihr einen Strich durch die Rechnung, sondern der Fact, dass ihre alten Fingerknochen für den Screen zu wenig Widerstand generierten… und ihr Billett ständig ungedruckt im Automaten blieb. Eine verlorene Seele ohne Aussicht auf Rettung.

Auf der Homepage digitalswitzerland.com steht ja schliesslich: eine klare Strategie – viele Vorteile. Irgendwie werden da alle denkbaren (und noch undenkbaren) Nachteile gar nicht berücksichtigt. Ich sehne mich nach mehr Einfühlungsvermögen und politischen Rahmenbedingungen. Denn eigentlich ist die Erfindung und Einführung des Internets ja der grösste anarchistische Akt überhaupt seit Menschengedenken. Vorteile für alle?

Wenn das nur gutgeht…