Eine Schweizer Powerfrau baute sich in Indonesien ein Inselparadies

Ganz nah am Äquator, im indonesischen Inselreich von Raja Ampat, liegt das Tauch- und Ferien-Resort «Raja4Divers». Ein Vorzeigeprojekt mitten im korallenreichsten Gebiet des Planeten. Aufgebaut hat es die quirlige Schweizerin Maya Hadorn.

VON PETER JAEGGI

«Ich hatte meine Koffer für die Heimreise in die Schweiz bereits gepackt», erzählt Maya Hadorn. Quasi in letzter Minute wird sie von Nikson gestoppt, einem einheimischen Arbeitskollegen, mit dem zusammen sie als Managerin einer Ferieninsel arbeitete. Er will ihr unbedingt ein menschenleeres Eiland zeigen. Pulau Pef. Der Ausflug an jenem sonnigen Tag im Jahr 2009 wird zur Schicksalsreise.

«Wir kamen im Licht der Abendsonne an und ich war hin und weg. So überwältigend schön war der Anblick.» Maya Hadorn glaubt, nicht sie habe diese Insel gefunden, «sondern Pulau Pef hat mich gefunden.» Ihr sei schnell klar gewesen: Hier, nur 50 Kilometer südlich vom Äquator entfernt, bleibe ich, hier baue ich ein Ferienparadies. Im Juni 2011 wird es eröffnet.

Aber wem gehört sie?
Eine Insel zu pachten ohne zu wissen, wer sie besitzt – schwierig. Aber genauso ist es. Es gibt hier nämlich kein Grundbuch. Was wem gehört, wird mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. «So fragten wir auf verschiedenen umliegenden Inseln jeweils die Ältesten, um es herauszufinden.» Nach zwei Monaten Detektivarbeit ist der Besitzer endlich gefunden. Adam Gaman auf Waigeo, der Hauptinsel von Raja Ampat. Ihm und seiner Familie gehören noch weitere Inseln. Klein, hager, eher scheu und freundlich. Adam Gaman ist ein einfacher Mann und entspricht nicht dem Klischeebild eines Grossgrundbesitzers. Zuerst pocht er auf eine Pachtdauer von höchstens 25 Jahren. Nach einigem Hin und Her einigt man sich auf 50. «Darunter wollte ich nicht gehen, schliesslich sind die Investitionen riesig», sagt Maya Hadorn, die das Geld dafür in ihrer Familie, im Freundesund Bekanntenkreis auftreibt.

«Pulau» heisst auf Indonesisch Insel und «Pef» meint zersplittert, verstreut. Und so sieht sie auch aus. Pulau Pef ist komponiert aus vielen kleinen und grösseren Inselchen mit unzähligen Einschnitten, stillen Buchten und von Felsen, umsäumt von ursprünglichem Regenwald und Mangroven.

Geld und Geist
Welche Beziehung die Menschen hier zum Geld haben, illustriert diese Geschichte: Beim Unterzeichnen des Landvertrages in Jakarta vereinbart man eine erste Anzahlung in bar von 20 Millionen Rupiah (umgerechnet etwa 1400 Franken). Viele Raja-Ampat-Bewohner waren noch nie in Jakarta und 20 Millionen sind hier eine Menge Geld. So macht sich der Landbesitzer zusammen mit einem Onkel, seinem ältesten Sohn und einem Cousin auf zur ersten Flugreise ihres Lebens nach Jakarta. Vorgesehen ist die Übernachtung in einem noblen, mehrstöckigen Hotel. Sie lehnen ab, ein Zimmer in einer höheren Etage zu beziehen. Ein so hohes Haus hatten sie noch nie gesehen und fürchteten, der Wind könnte es umwerfen. «Ich gehe nach Jakarta.» Das bedeutet hier: Der hat Geld und es wird auf den Putz gehauen. Genau so kommt es auch. Die vier Männer aus Raja Ampat verjubeln die 20 Millionen bis auf die letzte Rupiah hauptsächlich in Bars. «Am Ende hatten sie nicht mal mehr etwas übrig, um ihren daheim gebliebenen Frauen ein Geschenk zu kaufen», lacht Maya Hadorn.

«Planung auf Millimeterpapier»
Nachdem die ersten Hürden mit der Identifizierung der Besitzer geschafft sind, folgt fast ein ganzes Jahr lang mühsamer Bürokram. Registrieren der Firma, Lizenzen erwerben, Baupläne einreichen – und dann nochmals fast alles von vorn, weil Pulau Pef zu einem anderen Distrikt gehört, als von den lokalen Behörden behauptet wurde. Zwar sagt Maya Hadorn, sie sei technisch völlig unbegabt. Doch ist sie es, die das Resort bis ins kleinste Detail entwirft und wochenlang Pläne auf Millimeterpapier zeichnet, die ihr Neffe schliesslich im CAD-Programm auf den Computer bringt. «Ich wusste, wie man baut», sagt die Frau, über die ein Ex-Lebenspartner verrät: «Wenn sie was will, stiert sie es durch.» Sie lacht. «Ich wusste: Das will ich, das mach ich, daran glaub ich hundertprozentig und das zieh ich durch.» Alles habe sich nur noch um Pef gedreht. «Ich glaube, dass ich damit mein Umfeld oft genervt hatte.»

Impressionen aus der Bauphase. Alles Material stammt aus umliegenden Inseln. Eine Satellitenschüssel ermöglicht die Internetverbindung.

Enge Bindung an ihre Familie
Einmal im Jahr holt Maya Hadorn ihre 85-jährige Mama aus der Schweiz nach Pef, wo sie sich jeweils einige Wochen lang verwöhnen lassen darf. Ihre Mutter bei sich auf Pef haben zu dürfen, bedeutet für Maya Hadorn sehr viel. Dankbar erinnert sie sich zurück. «Ich denke oft zurück und sage mir: Gott sei Dank hatte ich eine solche Kindheit. » Sie wird am 9. Mai 1967 als letztes von fünf Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof in Kölliken (AG) geboren. Als Maya in der ersten Klasse ist, zieht die Familie ins luzernische Hinterland, nach Pfaffnau auf einen idyllisch gelegenen Bauernhof. Ein «unkompliziertes » Leben sei es gewesen und sehr naturverbunden. Ihre Familie habe sie auch gelehrt, in schwierigen Situationen nicht wegzurennen. «Das schweisst zusammen und das hielt bis heute. Das gibt mir viel Kraft, selbst mit dieser grossen geografischen Distanz.» Zwischendurch mal ein bisschen rumblödeln, auch dies sei ein Erbe aus ihrer Kindheit. Wer die Frau auf Pef beobachtet, kann dies nur bestätigen. Wenn gelacht wird, ist Maya Hadorn mit von der Partie.

Das Huhn, das kräht
Bevor auch nur eine einzige Bambusstange verbaut wird, muss «Upacara» über die Bühne, eine zeremonielle Segnung des noch jungfräulichen Geländes. Neben dem Inselbesitzer und dessen Familie sind Honoratioren aus umliegenden Dörfern da. «Es ist eine Art Segensakt. Er soll den Ahnen zeigen, dass man in Frieden kommt und in Frieden zusammenleben will», erklärt Maya Hadorn.
Nicht so friedlich endet die Zeremonie für eine Ziege. Sie wird zum Opferaltar geführt, geschlachtet und ihr Kopf auf der Insel vergraben. Als weiteres Zeichen bringen der Landbesitzer einen Hahn und ein Huhn mit, sie gelten als Symbole zum Zusammenleben von Mensch und Tier. Aus unerklärlichen Gründen stirbt der Hahn nach einiger Zeit. Das Huhn hingegen lebt noch heute. Wenn Pef-Gäste jeweils am Morgen trotzdem den Hahn krähen hören, ihn jedoch nie zu Gesicht bekommen, liegt dies an einer seltsamen Stimmen-Metamorphose: Das überlebende Huhn hörte nach dem Tod seines Gefährten auf mit Gackern. Seither kräht es.

Bauen am Ende der Welt
Was ihr beim Bau auch entgegenkommt: «Hier muss nicht alles millimetergenau stimmen. Da reisst keine Behörde einen Bungalow ab, nur weil er zehn Zentimeter zu breit ist.» Auch sonst ist alles ein bisschen anders. Es gibt keinen Kran, der schweres  Baumaterial hochhebt, keine schweren Baumaschinen – ausser einem kleinen Betonmischer. Da ist alles Handarbeit. Selbst die
Hunderte von Holzpfählen, auf denen die insgesamt zehn ins Meer hinausgebaute Bungalows im Papua-Stil sowie die langen Bootsstege stehen, werden mühsam von Hand in den Meeresboden gerammt. Schweres Baumaterial wird mit Seilen, Flaschenzügen und Holzrollen bewegt, darunter auch ein tonnenschwerer Generator. – Mangrovenholz, Bambus, Rattan, Blätter der Sagopalme für die Dächer … Alles Material stammt aus umliegenden Inseln. Einige Tage dauert die Material-Einkaufstour durch die Dörfer, während der auch die Arbeiter angeheuert werden, die Dachmatten knüpfen und graben können. Über ein halbes Jahr leben Maya Hadorn und ihre Crew in Zelten. Manchmal stürmt es so gewaltig, dass die ganze Mann- und Frauschaft die Zelte festhalten müssen, damit sie nicht ins Meer hinausfliegen. Und immer wieder die Diskussionen mit Lieferanten, die nicht nur einmal das falsche Material bringen, oder Diskussionen mit den Bauarbeitern über behandelte Hölzer etwa. Denn es gibt unterschiedliche Auffassungen von «schöner Wohnen». Die Indonesier lieben glatte, geschliffene und lackierte Hölzer. Je glänzender, desto besser. «Dass ich alles naturbelassen wollte, ging nicht ohne Weiteres in die Köpfe.»

Wunderwelten unter Wasser. Das Hausriff liegt ganz nahe an Maya Hadorns Insel Pulau Pef.
Ein wunderbarer Ort auch zum Schnorcheln.

Navigieren in einer fremden Kultur
Natürlich baut niemand ein Resort allein auf. Erst recht nicht in einer fremden Kultur. Erst als indonesische Freundinnen und Freunde zusichern mitzuhelfen, habe sie das Projekt angepackt. Darunter Yannick aus Java, über die Maya Hadorn sagt: «Sie ist ein Genie im Schaffen von Beziehungen, auch zu Behörden.» Yannick ist eine Meisterin im Kuchenbacken und verwöhnt damit jeweils Verhandlungspartner. Mit Erfolg. Und da ist auch der pockennarbige Allrounder und Wegbegleiter Nikson, einer der ersten Papua Tauchguides, Sänger und Gitarrist in der inseleigenen Band, Schwerarbeiter und Troubleshooter. Personal zu finden, sei leicht, sagt Maya Hadorn. «Doch die richtigen Leute zu finden, ist schwierig, solche, die nicht nur die ersten drei Tage motiviert sind, und Menschen, die bereit sind, unsere Philosophie zu leben.» Eine strenge Trennung zwischen Angestellten und Gästen, wie etwa auf den Malediven, gibt es hier nicht, man begegnet sich auf Augenhöhe.

Für die Angestellten fängt der Tag um acht Uhr an, wenn die Chefin alle Mitarbeitenden in einem Kreis auf dem Holzboden sitzend versammelt, sie namentlich aufruft und das Arbeitsprogramm vorstellt. Es ist dies die Stunde, in der sich täglich alle sehen, wo die Chefin einem Geburtstagskind ein kleines Geschenk überreicht. «Ich will hier nicht einfach eine autoritäre Chefin sein, die sich nur zeigt, wenn sie was zu motzen hat.» Allerdings gibt es manchmal gute Gründe dazu. So sei Alkoholmissbrauch ein Riesenproblem. Raja Ampat und die Papuas sind überwiegend christlich, im Gegensatz zum übrigen Indonesien, das zu fast 90 Prozent muslimisch und deswegen zumindest offiziell alkoholfrei ist. Die Zeitung «Jakarta Post» schrieb 2016, der Alkoholkonsum könnte die Papua-Kultur zerstören, und er sei Ursache für die weit verbreitete häusliche Gewalt. Wie löst Maya Hadorn das Problem? «Es gibt ein striktes Alkoholverbot, ausser ich gebe allen mal einen aus. Ich kann es mir nicht leisten, dass einer mit einer Fahne ein Tauchboot fährt oder als Tauchguide arbeitet. Wegen Alkoholmissbrauch gab es schon viele Entlassungen. Da muss ich hart sein.»

Amazonas der Meere
Maya Hadorn ist eine Frau, die gerne selber bestimmt, nichts dem Zufall überlässt, eine Perfektionistin ist. Damit überfordere sie manchmal ihr Umfeld. «Die Gäste bezahlen viel Geld; da muss es einfach klappen.» Sie lässt sich stets Neues einfallen, um ihre Kunden zu begeistern. So engagiert sie immer wieder Meeresbiologen, die den Tauchenden aus bisher 48 Nationen die Wunder des Meeres näherbringen. Auch den Schnorchelnden. Denn nur ein paar Meter von den Wasserbungalows entfernt liegt das langgezogene fantastische und artenreiche Hausriff. Darin sind sich Fachleute und Laien einig: Raja Ampat gehört mit zum Allerschönsten, was die Unterwasserwelt dieses Planeten zu bieten hat. Kaum ein Superlativ, den man über diesen Archipel nicht schon gelesen hätte. Amazonas der Meere, Artenfabrik, überirdisches Erlebnis … Und noch immer entdecken die Profis der Insel neue Tauchplätze.

Die andere Seite des Paradieses
Heute schocken auf YouTube viele Videos über plastikverseuchte indonesische Meeresgegenden. Die Regierung in Jakarta verpflichtete sich, die Plastikabfälle bis 2025 um rund zwei Drittel zu verringern. Vorgesehen ist, den Müll zu recyceln. Allerdings: Geschehen ist bis heute fast nichts. Diese Zivilisationspest stimmt auch Maya Hadorn traurig. Mit den Kindern der Nachbarinsel Kabui hat sie ein Strandsäuberungsprogramm lanciert. Sonntagsschulkinder kommen ab und zu nach Pulau Pef und sammeln den Abfall ein. Die Säcke werden nach Sorong gebracht, etwa vier Bootsstunden entfernt und Ausgangspunkt für die Reise nach Pef. Was dort mit dem Müll geschehe, sei allerdings ungewiss, sagt Maya Hadorn. In Indonesien gibt es bisher keine vernünftige Müllverbrennungsanlagen. Nikson, der Maya Hadorn damals drängte, sich Pulau Pef anzuschauen, sagt: «Viele Einheimische tragen keine Sorge zu ihrem Land.» Im Jahr 2000 gab es im Inselreich von Raja Ampat gerade mal ein einziges Resort. Heute sind es mehr als 20 Resorts. Weitere sind im Bau. Zudem bieten mehr als 50 einheimische Familien auf vielen Inseln sogenannte «Homestays» an. Sorgen bereitet auch die rasante Zunahme der Tauchsafariboote. Eine ganze Armada ist in Raja Ampat registriert, Tendenz stark steigend.

Lernen voneinander
Am Schwierigsten für die Papuas sei das Lernen von Disziplin, sagt Maya Hadorn. «Etwa rechtzeitig von den Ferien zurückzukommen. Es gab welche, die erst nach drei Wochen wieder auftauchten. Man dürfe nicht erwarten, dass auf Anhieb etwas klappe.» Antworten von Maya Hadorn auf die Frage, mit welchen kulturellen Unterschieden sie manchmal noch heute Mühe bekunde. Man müsse stets damit rechnen, dass es nicht funktioniert «Und wenn doch, freut man sich umso mehr.» Mit einer anderen Haltung könne man hier schwerlich überleben. «Zu Hause sei es genau umgekehrt. Da erwarte man, dass es klappt und ärgere sich, wenn’s schiefläuft.» Die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung ist für Maya Hadorn keine Einbahnstrasse. Das vielleicht Wichtigste, was sie in Raja Ampat gelernt habe: «Nicht nachtragend sein, einander vergeben.» Sie erzählt ein Beispiel: Einmal hatten zwei ihrer Mitarbeiter eine heftige Schlägerei und gingen mit den Macheten aufeinander los, bis sie getrennt wurden. «Am Abend sassen wir unter einen Busch und diskutierten die Sache aus. Am Ende reichten sich beide die Hand. Nachher war’s nie wieder ein Thema.» Natürlich vergesse man auch hier nicht einfach, doch man könne damit gut umgehen. Dies habe mit der  Lebensart der Papuas zu tun. «Diese Menschen leben im Jetzt.» Etwas, was auch ihr wichtig geworden sei. Genauso wie das Motto der Menschen hier: «Mengambil hati.» Was so viel bedeutet wie «einander das Herz schenken».

Maya Hadorn: «Das ist der Schlüssel allen guten Gelingens.»

Dieser Artikel ist in der Juni 2018 im 50plus Magazin erstmals erschienen.

 

Ähnliche Beiträge

Diese Webseite benutzt Cookies