Die reiche Ernte aus dem eigenen Garten sinnvoll verwerten, Saison-Aktionen beim Discounter nutzen; unbekannte, intensive Geschmacksnuancen entdecken: Es gibt der Gründe genug, um sich mit der Konservierung im Glas zu beschäftigen.
VON CHRISTIAN MEYER
Die traditionellen Konservierungsmethoden Einlegen und das Einmachen/Einkochen von Gemüse und Früchten sind wieder hochaktuell. Nicht zuletzt berühmte Köche, etwa René Redzepi («Noma», Kopenhagen), Sven Wassmer (Grand Resort Bad Ragaz) und Adriá-Schüler Carles Abellan (Barcelona) verhelfen dem süss-sauer Eingelegten und dem Eingemachten zum Comeback; die junge Generation findet es absolut trendy. Selbstgezogenes Bio-Gemüse einmachen entspricht dem Zeitgeist. Es eignen sich viele Früchte, aber auch die klassischen Gemüsesorten wie Gurken, Karotten, Blumenkohl, Zwiebeln, ferner Ingwer, Knoblauch Radieschen, Rhabarber und Rettich. Faustregel: Erstklassiges, sonnengereiftes Rohmaterial, Salz und Zucker in ausgewogenem Verhältnis als Basis; je edler der Essig und die übrigen Zutaten wie Gewürze und Kräuter, desto besser das Resultat. Und natürlich muss sauber und exakt gearbeitet werden.
Der volle Geschmack, neu entdeckt
Es winken Geschmackssensationen, die man handelsüblichem Gemüse kaum zutrauen würde. Zumindest für die jüngere Generation sind die intensiven Aromen neu, denn die bequeme Tiefkühlung hat das arbeitsintensive Konservieren im Glas schon ab den 1960er-Jahren vielerorts verdrängt. Eingelegter, mit besten Zutaten hergestellter Blumenkohl beispielsweise schafft es locker zum grossen Auftritt im Gourmettempel oder auf den heimischen Festtagstisch.
Je nach Land und Region bestehen verschiedene Ausdrücke für die Konservierung im Glas. Das kann Interessierte ohne Vorkenntnisse verwirren oder gar abschrecken, diese Wunderwelt zu erkunden. Wer sich zuerst eine schnelle Information über die wichtigsten Methoden und Merkmale verschaffen will: Die nachstehende Tabelle sorgt für den Durchblick. Zubehör in allen Varianten Im Laufe der Jahre haben sich mehrere Konservierungsmethoden entwickelt, das Zubehör an Verschlüssen, Gläsern und Geräten ist vielfältig. Wir beschränken uns hier auf zwei einfache und risikolose Rezepte, auf süss eingelegte Birnen und auf sauer-salzig eingelegten Blumenkohl. Risikolos deshalb, weil ein hoher Säuregehalt (tiefer pHWert) und ein hoher Zuckergehalt wie bei Konfitüren und Chutneys die Sporenvermehrung von Bakterien unter Luftverschluss (anaerobe Keime) weitgehend verhindert.
Vor dem Genuss kommt die Vorsicht
Wer vom Einmachen redet, muss auch Verderbnis und das Bakterium Botulin (Clostridium botulinum) zur Sprache bringen. Besonders vor dem Einmachen von Gemüse mit erhöhtem Eiweissgehalt wie Hülsenfrüchte – also beispielsweise Bohnen, Erbsen und Flageolets – sowie Fleisch und Fisch, sollten Sie sich anhand der unten stehenden Tabelle informieren. Manchmal deckt allein eine gründliche Prüfung des Glases die Verderbnis auf. Doch leider nicht immer. Das macht das Gift Botulin so gefährlich. Botulin kann seine verhängnisvolle Wirkung auch geruchs- und geschmacksneutral entfalten. Bei ersten Symptomen einer Vergiftung (Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, Lähmungen) muss man sich sofort in Spitalpflege begeben und sich mit Gegengift behandeln lassen. Kommt Hilfe zu spät, ist der Tod oft unausweichlich. So wurden schon ganze Familien ausgelöscht. Botulin (C. botulinum, Botox), das von der Kosmetikindustrie und in der Medizin in geringsten Mengen auch gegen Gesichtsfalten eingesetzt wird, ist eines des stärksten und gefährlichsten Gifte überhaupt. Vergiftungen nach dem Verzehr von kontaminiertem Einmachvorräten sind sehr selten. Trotzdem ist der spezielle Hinweis angebracht, besonders, weil viele Einkoch-Anleitungen in Fachbüchern und Websites nicht dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen.
Handelsübliche Einmachautomaten in unseren Breiten erreichen die von der US-Behörde Federal Food and Drug Administration (FDA) empfohlene Kerntemperatur von etwa 120 ºC nicht – besonders wichtig für Bohnen, Fleisch und Fisch. Allein die in den USA populären und preislich günstigen Pressure Canner (Überdruckkochautomaten) und Industrieanlagen (Autoklaven) stellen diese empfohlene Temperatur sicher. Nach der hierzulande gebräuchlichen Einkochmethode im Wasserbad bei 85 bis maximal 100 ºC werden in den USA bloss Konfitüren und Chutneys eingekocht, nahezu alles andere wird sicherheitshalber im Pressure Canner sterilisiert, was möglicherweise aber Geschmackseinbussen verursachen kann.
Entsprechend niedrig sind die registrierten Fälle von Botulin-Vergiftungen in den USA: Auf 330 Millionen Einwohner entfallen rund zehn nachweisliche Erkrankungen jährlich. Zum Vergleich: In Deutschland wurden gemäss Robert-Koch-Institut (RKI) im Zeitraum 2001 bis 2018 jährlich bis zu 24 Fälle verzeichnet, in der Schweiz gibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein bis zwei Fälle pro Jahr an.
Selbstverständlich sind diese Vergiftungen trotz der relativ geringen Zahlen nicht vernachlässigbar. Die entsprechenden Erkenntnisse sind seit Jahren vorhanden. Deshalb ist es an der Zeit, Anpassungen vorzunehmen. Dieselbe Frage musste man sich schon bei der Einführung der Fahrzeuggurten im Auto oder des Fahrradhelms stellen. Die offiziellen Stellen begnügen sich momentan mit den Hinweisen, heikle Lebensmittel wie Hülsenfrüchte und Fleisch zwei Mal zu sterilisieren und vor dem Genuss zu erhitzen, also niemals kalt aus dem Glas zu essen.
Botulin – eines des gefährlichsten Gifte
Botulismus wird vom Bakterium Clostridium botulinum ausgelöst. Clostridium botulinum bzw. seine Sporen werden als ubiquitär beschrieben, das heisst, sie lassen sich nahezu überall nachweisen: beispielsweise im Boden, in Gewässern und auf der Schale von Gemüse. Als Spore bezeichnet man in der Biologie das Entwicklungsstadium eines Lebewesens, das der Vermehrung, Ausbreitung und Überdauerung dient. Bestimmte Sporen sind äusserst widerstandsfähig gegen Hitze, Frost und Austrocknen. Botulinsporen vermehren sich selbst unter Sauerstoffabschluss in säurearmen Lebensmitteln. Einkochgläser stellen demnach die perfekte Umgebung für die Freisetzung des Botulinumtoxins dar, wobei die Wissenschaft mehrere Typen unterscheidet. So kommt Botulin bzw. dessen Unterarten auch in Honig, Fischeingeweiden und Muscheln vor.
(QUELLEN: BAG, BUND FÜR RISIKOBEWERTUNG BFR, D-BUNDESZENTRUM FÜR ERNÄHRUNG, RKI, FDA, SERLO.COM, WIKIPEDIA)