Nach oben gucken, geht immer, egal wo man gerade ist oder bleiben muss. Aber wann haben Sie das letzte Mal freie Sicht auf den überwältigenden Sternenhimmel gehabt oder sogar Nordlichter gesehen? In den meisten zivilisierten Gegenden herrscht nachts zu viel Lichtverschmutzung für den ungetrübten Blick nach oben.

VON DÖRTE WELTI

Zwei Mal verbrachte ich einige Tage und Nächte nördlich vom Polarkreis, im tiefsten Winter jeweils, glückliche Partizipantin eines Winterfahrtrainings in Lappland. Dick eingemummelt habe ich nach Sonnenuntergang bei bis auf -30° fallenden Temperaturen den Himmel abgesucht, um das mystische grüne Licht zu sehen, jene märchenhaften Himmelserscheinungen, die gemeinhin als Nord- oder Polarlichter bekannt sind. Beide Male sind mir die tanzenden Lichtgeister nicht erschienen, sie blieben verborgen, es schneite entweder oder war zu wolkig. In diesem Jahr durfte meine Tochter als Autovloggerin so eine Einladung annehmen und was soll ich sagen: Aus dem Nichts tauchten plötzlich Schwaden neongrüner Bänder auf, waberten über ihrem Kopf, verharrten eine Weile (genug Zeit, das Foto oben zu schiessen), führten tollkühne Bewegungen auf und verschwanden dann wieder. Ich gönns ihr. Bin aber auch ein wenig neidisch, denn das Erlebnis, so wie sie es auch erzählte anschliessend, muss atemberaubend sein.

Super klare Sternenächte hingegen durfte ich schon erleben und zwar immer dort, wo es nachts wirklich dunkel ist, wo kein noch so ferner Lichtschein irgendwelcher Zivilisation das Spektakel des Universums stört. Um zu wissen, was sich da jeweils über mir abspielt, habe ich mir sogar eine App aufs Smartphone geladen, die mir anzeigt, welchen Stern oder welches Sternbild ich da sehe, sogar, wo sich die Internationale Space Station ISS gerade befindet und ob sie eventuell am Horizont kurz auftaucht. Meine Erlebnisse hatte ich vor allem in den Sommernächten in Dänemark am Strand, aber auch einmal in einem Wüstencamp in Oman oder auf einer nächtlichen Bootsfahrt auf dem Zürichsee. Jedes Mal ist eindrücklich, die Gedanken fliegen ins Unendliche, man fühlt sich winzig klein und doch als Teil des Ganzen. Speziell waren auch Besuche in Planetarien, einmal im Observatoire de Nice (die Kuppel und ihre unglaubliche revolutionäre Konstruktion und Mechanik von 1879 stammt von Gustave Eiffel), einmal die Sternwarte in Zürich (wo man jeden Donnerstag-, Freitag- und Samstagabend für CHF 15 Sterne gucken gehen kann).

Aus dem Thema einen Reiseführer zu machen, die Idee hat Valerie Stimac umgesetzt, weltraumverliebte Reisejournalistin und –bloggerin. Sie hat das Buch «Himmel Leuchten» mit vielen Geschichten übers Sternegucken angefüllt. Und hat den «ultimativen Travelguide für den Blick nach oben» in Interessensgebiete aufgeteilt. Man bekommt Infos zum «einfachen» Sternebeobachten, in dem sie angibt, wo man am meisten Sterne sehen kann, es sind aber auch Tipps für urbane Sternensucher dabei, welche Sternwarten man wo findet und was man grundsätzlich überhaut erwarten kann, am Himmel vorzufinden. Dann stellt sie 35 der weltweit schönsten dunklen Orte vor, wo es keine Lichtverschmutzung gibt und sie beleuchtet im Kapitel «Astronomie in Action» Forschungsstationen, die man teilweise auch besuchen kann – klar, das CERN in der Schweiz ist dabei. Ganz spannend sind die verschiedenen Meteorströme, denen man folgen kann. Mir waren bisher nur die Perseiden bekannt, die zwischen dem 17. Juli und 24. August wahre Sternschnuppenregen auf die Erde rieseln lassen. Aber es gibt noch viel mehr, praktisch durch das ganze Jahr der astrologischen Sternbilder hindurch. Natürlich hat Valerie auch Polarlichter gesehen und sagt, wo und wann man die besten Chancen hat, sie zu sehen, und wann Sonnenfinsternisse in unserem Jahrzehnt angesagt sind und wo man diese am besten beobachtet. Ein ganz besonderes Thema ist für Valerie noch die Raumfahrt. Sie beschreibt Raketenstarts und hat – vielleicht als erste überhaupt – einen Space Tourismus Guide (auf dieser Webseite gibt es eine Weltkarte, wo alle Orte zum Thema Sternegucken verzeichnet sind) begonnen. Ein separates Thema, das sie auf ihrer Homepage anspricht, im vorliegenden Buch beschreibt sie die aktuellen Akteure und ihre Pläne. Ein faszinierendes Kapitel. Ich bin gespannt, wann man die erste Pressereise ins All veranstalten wird, um diese neue Reisemöglichkeit der Menschheit gewinnbringend zu promoten…

Keine Ahnung, ob irgendwer tatsächlich seine Ferienplanung so einem Himmels-Travelguide unterwirft und wann wir überhaupt wieder in ferne Galaxien reisen können. Aber ein tolles Lesebuch und ein Buch zum Mitnehmen und auszukundschaften, was es für himmlische Möglichkeiten an der gewählten Destination gäbe, das ist es allemal.

Valerie Stimac

Himmel Leuchten – Der ultimative Travelguide für den Blick nach oben
Lonely Planet
ISBN 978-3-8297-2692-4