Nein, er hat keinen Stern. Und nein, er führt kein Restaurant. Und er hat auch keine Kochlehre absolviert. Aber er kanns: Kochen.

VON CHRISTIAN MEYER

Man nimmt es sich immer wieder vor – Festtage ohne Stress. Doch wie vermeidet man chaotische und hektische Stunden, bevor sich die Familie am Tisch versammelt? Indem man sich gründlich vorbereitet und sich rechtzeitig an die Arbeit macht. Der Zürcher Foodscout, passionierte Hobbykoch und Buchautor Richard Kägi liefert uns das Rezept dazu, vorausgesetzt, man hat absolut keine Lust, seinen Lieben unter dem Weihnachtsbaum gutschweizerische Standardgerichte wie Fondue Chinoise oder Rollschinken vorzusetzen. «Brasato all’Amarone», ein Schmorbraten mit Rotweinsauce und Portwein, ist eines seiner Lieblingsrezepte.

Das Gericht lässt sich problemlos zwei bis drei Tage vor dem Countdown vorbereiten. Ohne Qualitätsverlust? «Ohne Qualitätsverlust», bekräftigt Richi, wie ihn alle nennen. «Im Gegenteil: Der Braten lässt sich in kaltem Zustand besser schneiden und der Geschmack wird intensiver », fügt er an. Naht die grosse Stunde, muss man das Fleisch bloss noch vorsichtig in der Sauce aufwärmen und mit der Lieblingsbeilage servieren, sei es Kartoffelstock, Polenta oder Risotto. Das hört sich gut an.

Brasato wird gerne mit Barolo, dem berühmten Wein aus der piemontesischen, kräftig-aromatischen Nebbiolo-Traube angesetzt. Richi bevorzugt jedoch den ebenso geschätzten, aber etwas «weicheren», eleganteren Amarone aus dem Valpolicella nördlich von Verona. Beides sind edle Tropfen, trinkbare Jahrgänge sind ab rund 20 Franken im Handel, mehrere Jahre gelagerte Weine können ohne weiteres auch 90 Franken oder mehr kosten.

Soll man denselben Wein auftischen, mit dem gekocht wurde? Richi sagt dazu: «Ja, das kann man, ein guter Valpolicella eignet sich indessen ebenfalls, etwa einer von Roccolo, Grassi oder Tedesci.»

Erstklassige Produkte als Basis

Nimmt man beste Zutaten für den Brasato, wie es Richi im Rezept empfiehlt, ist dieses Gericht also alles andere als billig – bei einem Festmahl sollte man jedoch nicht jeden Franken zwei Mal umdrehen. Schwierigkeitsgrad? Leicht. Dieses Gericht wird auch Anfängern am Herd gefallen. Allerdings ist ein vorheriger Probelauf zu empfehlen, was übrigens auch Profis bei wichtigen Anlässen tun. Einfach und trotzdem ungewöhnlich, das sagt Richi von nahezu allen seiner 200 Rezepte in seinem Bucherstling «Richi kocht» (kürzlich erschienen). Seit 27 Jahren bei Globus als Foodscout tätig, hat Richi auf der weltweiten Jagd nach exzellenten Produkten fleissig Rezepte und Eindrücke gesammelt, oft Köchen und Patrons von Restaurants in die Töpfe geschaut und mit der ihm eigenen Detailversessenheit daheim versucht, die Rezepte zu optimieren. Wobei er in seinem Kochbuch immer die Urheber nennt: «Ich schmücke mich nicht mit fremden Federn.»

Schoggijob

Wie wird man Foodscout ? Das tönt nach Traumjob. Ferne Länder bereisen, Land und Leute kennen lernen, das Angenehme mit der Arbeit verbinden, weltweit Kontakte knüpfen, zu Gast sein bei Produzenten und Händlern, die sich von der besten Seite zeigen … «Ich reise gerne, bin aber auch gerne wieder in den eigenen vier Wänden», entgegnet Richi, der von sich sagt, dass seine Zeit bei Globus ablaufe. Das ist wohl auch besonders im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie erleichternd. Zudem: Auch bei einem Traumjob muss man Termine einhalten, die mitunter zu Stress führen können. Richi präzisiert: «Ich habe hohe Erwartungen zu erfüllen, die Kunden suchen immer wieder Neues und Aufregendes im Regal – das ist eine ständige Herausforderung.»

Leidenschaft

Woher stammt Richis Leidenschaft für hochwertige Nahrungsmittel? «Ich habe bereits als Bub gerne bei meiner Mutter in der Küche mitgeholfen. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen. Meine Mutter kochte nicht raffiniert, wusste aber aus dem Vorhandenen das Beste zu machen. Und vor allem war sie eine Meisterin der Resteverwertung. Das hat mich geprägt. Sie lehrte mich, mit Nahrungsmitteln sorgsam umzugehen. «No Food Waste» schon damals – notgedrungen! Gleichzeitig entdeckte Richi seinen Sinn und seine besondere Nase für Aromen und Geschmacksrichtungen. «Obschon ich später einen technischen Beruf ergriff, wollte ich gerne kochen lernen, um unabhängig zu sein. Unabhängig von launischen Partnerinnen und überambitionierten Köchen, oder, noch schlimmer, von Köchen, die kochen, weil sie die triste Notwendigkeit Geld zu verdienen dazu zwingt. Ich koche fast jeden Tag seit Teenagerzeiten. Meistens ganz simpel, mit wenigen Zutaten, unkompliziert. Für Freunde und Familie auch mal aufwändiger. Für einen festlichen Anlass darf es sogar richtig feudal zu- und hergehen.»

Doch wie kommt man als gelernter Maschinenmechaniker zu diesem Job beim prestigeträchtigen Warenhaus? «Nach ein paar Jahren mit Höhen und Tiefen in der Unterhaltungsbranche und dem Betreiben einer Musikbar schaffte ich als Quereinsteiger den Start in die Gastronomie von Globus. Später erhielt ich dann meinen Traumjob im Einkauf», so Richi. Wie muss man sich dies praktisch vorstellen? «Ich mache den Einkäufern Vorschläge von mehreren Produkten, die sie anschliessend an- oder auch ablehnen können. Indessen, bei negativem Bescheid müssen sie dies begründen », präzisiert der 62-Jährige, der in Zürich lebt und sechs Enkelkinder hat.

Sport als Beitrag zur Psychohygiene

Richi hat seinen Bekanntheitsgrad nicht zuletzt mit seinen NZZ-Kolumnen erhöht. Mit Titeln wie «Der Säufer rennt» sorgt er bei seinen Lesern regelmässig für Erheiterung und Zustimmung. Gleichzeitig gibt er viel von seinem Innenleben preis. Der Sorge um seine Gesundheit, der Stress und die Verarbeitung seiner schwierigen Jugend samt einem problematischen Vater-Sohn-Verhältnis versucht er mit täglicher Bewegung zu begegnen.

Seine Philosophie: «Essen und Trinken soll man in vollen Zügen geniessen. Man kann sich ja am folgenden Tag zurückhalten und etwas tägliche Bewegung tut das übrige.» Das ist krass untertrieben. Packt es den begeisterten Hobbysportler, dann trainiert er ernsthaft und joggt vom Dolderquartier quer durch Zürich, auf den Uetliberg und zurück – etwa 20 Kilometer. Das macht er, wie angedeutet, nicht jeden Tag. Doch Action ist nahezu täglich angesagt. Auch das Rennrad kommt nicht zu kurz, denn er war mal aktiver Triathlon-Sportler und hat auch schon Fernfahrten solo bestritten, etwa von Winterthur nach Valencia. Das sind 1700 Kilometer! Die schaffte Richi damals in zehn Tagen. Daneben liest er liebend gern Historisches, etwa über Thomas Cromwell am Hofe Heinrich VIII, oder widmet sich seinen Youngtimern, einem Vintage-Motorrad und einem roten Alfa-Coupé, mit dem er sein geliebtes Italien bereist – wenn er nicht in seiner zweiten Heimat Südafrika weilt.

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Wer Lust hat, kann mit seinen Rezepten ein ganzes Festmahl zubereiten. Das Rezept “Brasato all’ Amarone” finden Sie hier.

Und wenn man sich an die Anleitungen hält, sind sie kinderleicht (Tipps auch per Video, s. Hinweise unten).

Kochbuch «Kägi kocht»
AT Verlag, ISBN: 978-3-03902-037-9
336 Seiten, Fr. 49.90
Mehr über Richard Kägi
Foodblog: www.richardkaegi.ch
Video-Rezepte: www.delicuisine.ch
Instagram: richifoodscout
Facebook: Richard Kägi

 

 

Dieser Artikel erschien in der Dezember Ausgabe unseres Magazin 50plus.