«Lebe deinen Traum» heisst an sich selbst glauben und den Schritt ins Ungewisse wagen.

Was passiert, wenn ein Pilot, ein Consultant, ein Bootsbauer und eine Juristin zusammentreffen? Sie gründen eine Gelateria. Was wie ein Witz tönt, entspricht der vollkommenen Wahrheit.

VON BENEDIKT LACHENMEIER

Denn manchmal braucht es verschiedene Geschichten, um eine Idee dingfest zu machen. «Wäre nur einer von uns gewesen, hätte es die Gelateria di Berna nie gegeben», ist Hansmartin Amrein überzeugt. Zusammen mit seinem Bruder David träumte der Berner schon lange «vom eigenen Ding». Einmal wollten die beiden ein medizinisches Gerät konstruieren, dann überlegten sie sich,
eine Social Media Plattform zu gründen. «Nie kam eine Idee zum Schluss.» Bis Hansmartins Lebenspartnerin den perfekten Einfall lieferte. Bevor sie Juristin wurde, arbeitete Susanna Moor als Skilehrerin in Verona. Dort lernte sie drei Gelatieri kennen. «Sie sagte zu uns: ‹Macht doch eine Gelateria. Meine Freunde würden sicher helfen.› Susanna ist auf den Willen, etwas in die Tat umzusetzen, aufgesprungen.» Die Idee passte, aber die Puzzleteile waren noch nicht alle am richtigen Ort.

Wie der Zufall es wollte, musste sich Michael, der dritte Amrein-Bruder, aus gesundheitlichen Gründen umorientieren. Der damalige Bootsbauer hatte grosses Interesse daran, Gelatiere zu werden. Aber dann brauchte es noch die Geschichte von der uralten Garage in der Länggasse in Bern, die zum Verkauf stand.

«Unser Engagement kommt von Herzen.» Die Gelatieri von Bern: Michael Amrein, Andy Käser, David Amrein, Susanna Moor, Hansmartin Amrein (v.l.n.r.).

«Jetzt war klar: Wir ziehen es durch. Michael ging subito nach Verona, um Gelatiere zu werden, David und ich gründeten mit Susanna eine GmbH.» Zurück in der Schweiz tüftelte Michael an ersten Rezepten herum und baute zusammen mit dem Team die Garage um. Anfangs September 2010 waren die frischgebackenen Unternehmer soweit. «Gegen jede Logik haben wir im Herbst eine Gelateria aufgemacht», sagt der 47-Jährige und lacht. Es hat sich gelohnt. Inzwischen haben die Jungunternehmer bereits fünf Gelaterias eröffnet. Die Idee funktionierte nicht zuletzt, weil jeder der Gelatieri aus einer anderen Ecke kam, weiss Hansmartin.
Susanna ist Juristin und kümmert sich um alle Verträge. David kommt aus dem Consulting. «Er ist der Zahlenmensch und machte die ersten Businesspläne.» Michael ist der Glace-Experte. «Ich selbst war für die schrägen Ideen verantwortlich », sagt Pilot Hansmartin. «Meine Inspiration sind die Gelaterias aus aller Welt. Ich habe gesehen, wie man so etwas umsetzen könnte, wie die
Vitrine aussehen muss etc.» Eine Gelateria hatte es dem Berner besonders angetan. Es ist diejenige auf dem Campingplatz in der Toskana, wo die Familie Amrein früher jeden Sommer verbrachte. «Einer der grossen Tageshöhepunkte war, als wir für 1000
Lira eine Glace kaufen durften. Du schaust in die Vitrine und verstehst nichts von diesen exotischen Namen. Also probierst du dich durch alle Farben hindurch. Nie hätte ich daran gedacht, dass wir irgendwann eine eigene Gelateria haben würden.»

Was Hansmartin und sein Team aber sofort wussten: Eine kunterbunte Vitrine war nichts für sie. «Wir wollten keine künstlichen Zusätze. Die italienischen Rezepte mussten wir für die Schweiz anpassen.» Bei einem Joghurtgelato beispielsweise muss das Joghurt frisch und bio sein. Für den besten Sorbetgeschmack verwendet die Gelateria di Berna reife Früchte meist aus lokalem Anbau. Dafür, dass die Glaces perfekt schmecken, ist Michael verantwortlich. Für die Idee, zum Beispiel Himbeer mit Ingwer zu mischen, Hansmartin. Ein Konzept aus Italien haben die Unternehmer aber übernommen: Jeder kann sich in der Gelateria di Berna eine Glace leisten. Bewusst sind die Preise tief. «Wir wollten nicht, dass eine vierköpfige Familie gleich eine Fünfzigernote hervornehmen muss, wenn sie zu uns kommt», erklärt der zweifache Vater. «Die Gewinnoptimierung war nie das Ziel.» Bis auf die
Gelatieri Michael und David arbeiten alle anderen weiterhin in ihrem bisherigen Job. «Zeitlich geht es eigentlich nicht. Wir sind immer ein wenig am Jonglieren», verrät Hansmartin. «Aber unser Engagement kommt von Herzen. Wir sind stolz auf das, was wir erreicht haben.»

Dieser Artikel erschien erstmals in der April 2019 Ausgabe unseres Magazins 50plus.

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