Mehr als nur ein Herbst-Blues – Einsamkeit

Einsamkeit

Es regnet, die Temperaturen fallen, die Tage werden kürzer… Herbst ist im Anflug. Und mit ihm für viele Menschen der «Blues», sprich die Einsamkeit und der Hang zum Schwermut. Die Erkenntnis über die eigene Einsamkeit wird begünstigt. Dieses Thema ist brisant: viele aktuelle Studien belegen, dass es zunehmend mehr einsame Menschen gibt.

VON HENRIK STAHEL

Der Verlust des Partners, ein kleiner werdender Aktionsradius wegen körperlicher Gebrechen oder sozialer Ausschluss aus der eigenen Familie. Das waren die typischen Voraussetzungen für den Rutsch in die Einsamkeit. Daneben sind aber moderne Phänomene und Strömungen Auslöser für die Einsamkeit. Individueller Lifestyle ist der vermeintliche Schlüssel zum modernen Glück.

Selbstverwirklichung als Beziehungskiller: Einsamkeit wird plötzlich zum gesundheitlichen Problem.

Und diese «Kultur» des Einzelgängers wird ja heute richtiggehend herangezüchtet: Social Media verlangt keinen echten, physischen Kontakt mehr, es gibt dort kein Gegenüber, das spürbar und mit Ausstrahlung versehen ist. Der Online-Account kann anonym und unpersönlich sein. Hundert sog. «Followers» sind nicht gleich hundert echte Freunde. Auch sind all die modernen Gadgets wir Home-Cinema, Internet-Partnerbörsen, Online-Shopping und die damit verbundene Hauslieferung nicht unbedingt förderlich für soziale Kon-takte. Kurzum: wer sich daheim verstecken will, kann das heute so gut wie nie zuvor. Dies kann sicherlich nützlich sein in gewissen Lebensphasen. Ein jeder hat ab und zu das Bedürfnis, «keine Menschenseele zu sehen» oder «nicht unter die Leute gehen zu müssen.» Das kann sogar gesund sein.

Wenn sich dieses Verhalten aber über lange Zeit festsetzt, dann tut es auch der Gesundheit Abbruch. Die Seele beginnt zu «weinen» und der Körper reagiert.

Seit laufende Studien (Aktuellste Studie auf Englisch) belegen, dass chronisch einsame Menschen auch unter einer höheren Mortalitätsrate leiden, wird in unseren Kulturkreisen Alarm geschlagen. Und durch die Baby-Boomer-Generation, die jetzt in die Jahre kommt, wird es schlagartig sehr viel mehr einsame, ältere Menschen geben. Doch sind es nicht nur die «Alten», die darunter leiden. Auch junge Singles verbringen ihre Festtage oft allein neben dem Christbaum. Ist der gesellschaftliche Druck zur «Selbstoptimierung» zu gross geworden? Aus eigener Erfahrung wissen sicher viele, dass die Geborgenheit im familiären Rahmen ein durchaus wärmendes Gefühl aus-lösen kann, das als Entspanntheit oder gar als Glück empfunden wird. Wer glücklich ist, ist auch gesund? Durchaus. Sorgen Sie also vor für eine gesunde Einbettung in der Gesellschaft. Wer die Risiken der eigenen Vereinsamung erkennt, kann etwas dagegen tun.

Wer sozial ausgeschlossen ist (oder, ganz wichtig: sich so fühlt), leidet stärker unter Krankheits-Symptomen. Einsamkeit soll sogar schädlicher sein als Bluthochdruck, Alkoholismus oder der Konsum einer Schachtel Zigaretten pro Tag. Auch das Entzündungsrisiko steigt dramatisch an.

Das hängt damit zusammen, dass wir als soziale Wesen geboren werden. Unser Organismus und die Psyche interagieren extrem untereinander. Findet sozialer Austausch statt und wird dieser als positiv empfunden, so reagiert auch unser Körper positiv darauf.
Muss also der Slogan «Einsamkeit ist tödlich» ab sofort beim Öffnen des Facebook-Accounts ersichtlich sein oder in öffentlichen Räumen direkt unter dem Rauchverbotszeichen angebracht werden? Warum nicht. Ein Self-Scanning, also ein sozialkritischer Blick in die eigene Richtung und vielleicht mal wieder ein Schwatz mit dem Nachbar und gemeinsam etwas machen (z.B. den Nachbarn zum backen einladen) können helfen.

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