Es war eine Naturkatastrophe, nicht gigantisch aber ein Schock für den Naturschutz. Am Konstanzer Untersee brannte ein Ried ab. Wie konnte es bloss dazu kommen? Brandstiftung? Ein Angriff auf die fischverzehrenden Kormorane, von einem Berufsfischer, so der Verdacht des hiesigen Vogelschutzvereins. Der Streit eskaliert.

VON URS HEINZ AERNI*

Szenenwechsel: Ein Politiker grüner Gesinnung wurde zum Abgeordneten in den Landtag gewählt und will einen Naturschützer mit nach Stuttgart nehmen, als Berater. Doch, es kam anders. Genau dieser Naturschützer wird ein paar Tage später tot aufgefunden. Laut Gerichtsmedizin durch stumpfe Gewalt und seine Lungen waren voll Seewasser. Die Kriminalpolizei erfährt durch Ermittlungen im Vogelschutz-Milieu, dass der Verblichene wie ein fundamentalistischer Kormoranschützer mit militanten Mitteln gegen die Berufsfischer agierte und sie illegaler Taten bezichtigte. Nicht alleine der Kormoran löste diesen Kriminalfall aus, sondern die Motivpalette aus Eifersucht, Gier und Geltungsdrang. Allerdings führt ein Befund aus dem Labor zu einer Wende dieser verworrenen Geschichte: Das gefundene Wasser in der Lunge des Toten, stammt nicht aus dem See, sondern aus einer Fischbrutstätte. Die neue Spur führt also doch zu einem Hardcore-Fischer? Aber, weshalb besorgt der oben erwähnte grüne Politiker ausgerechnet diesem verdächtigten Fischer einen Anwalt?

Der Vogel als Stoff für einen TV-Krimi Ja liebe Leserin, lieber Leser, Sie sehen, die Sache gewinnt an Brisanz. Die Auflösung wird Sie verblüffen. Diese erfahren Sie im «Tatort» mit dem Titel «Kormorankrieg» aus dem Jahre 2008 mit dem Konstanzer Kripo-Paar Klara Blum (Eva Matthes) und Kai Perlmann (Sebastian Bezzel), die ich heute noch vermisse.

Nach exklusiver Recherche für diesen Beitrag war ich in der Staatlichen Fischbrutanstalt in Nonnenhorn am Bodensee – übrigens, Bayrisches Ufer – um zu erfahren, dass weit und breit keine Kormorankolonie am Bodensee brütet, laut Auskunft der Experten. Noch. Die bis zu 100 cm grossen und geselligen Vögel sitzen nach ihren Tauchgängen gerne auf Steinen und Bäumen am Wasser, mit geöffneten Flügeln. Ob die das zum Trocknen oder zur Parasitenbekämpfung tun, ist noch immer Bestandteil der Debatte in der Forschung. Ihre Präsenz, ihre Rufe in den Kolonien verleihen irgendwie eine Stimmung der weiten See. Eine brütende Kolonie kann zum Beispiel am zürcherischen Pfäffikersee gut beobachtet werden, sonst sind sie überall an grösseren Gewässern in
der ganzen Schweiz zu sehen. Kommen wir zurück zur kriminellen Energie, die anscheinend durch den Konflikt um den Kormoran aktiviert werden kann.

Schluss mit dem Schwarzen Peter

Es sei hier deutsch und deutlich festgehalten, dass ich als Vogelfreund liebend gerne Fisch esse. Von der Forelle nach Müllerinnen-Art über Fischfrikadellen und Blaufelchen bis hin zum Welsfilet und leckerem Zander. Dabei befinde ich mich in bester Gesellschaft, die ich sehr gerne mit Haubentauchern, Gänsesägern, Flussseeschwalben und Kormoranen teile.

Langweilig aber wird die Behauptung langsam, dass diese Tiere die Hauptschuld für den Fischrückgang tragen sollen, zum Beispiel am Bodensee. Die Ursache lässt sich nicht simpel auf eine Tierart reduzieren. Denn folgende Fakten gehören zu einem Gesamtproblem: Der Klimawandel sorgt für zu warme Wassertemperaturen, was das bisherige Ökosystem stört oder verändert. Die Effizienz der modernen Kläranlagen liefert fast zu sauberes Wasser und sorgt damit für einen Nährstoffrückgang. Die enorme Vermehrung der Stichlinge, mit ihrem Appetit auf den Laich anderer Fische führt ebenfalls zu einer Dezimierung der Speisefische. Die Zunahme der eingeschleppten Quaggamuscheln entziehen dem See zusätzlich Nährstoffe. Es ist eben doch alles etwas komplizierter.

Der Kormoran für die zurückgehenden Fischernten auf unseren Seen immer noch als Ursache Nummer Eins zu sehen, sollte nun also längst passé sein. Das Problem für die Berufsfischenden ist natürlich sehr ernst zu nehmen, mit dessen Auswirkungen auf den Absatz und die Belieferungen von Läden und Restaurants. Aber die Ursachen sind eben komplexer und nicht lösbar mit dem Schwarzen Peter für den fast schwarzen Kormoran. Nutztier in Südchina

Während hierzulande auf den Kormoran geschossen oder daraus Krimis gemacht werden, drehten die Fischer in Südchina den Spiess um. Sie zähmen die Vögel, verengen mit einer Schnur den Hals, nehmen sie mit auf ihre Bambusboote, um sie dann auf die Jagd zu schicken. Kurze Zeit später kehren die Kormorane zurück, mit einem fetten Fisch im Hals, der einfach nicht zu schlucken ist. Die Fischer heben die Vögel aus dem Wasser, ziehen den Fisch aus dem Maul und geben als Lohn oder Trost einen kleinen Fisch, den sie trotz Schnur schlucken können. Diese Fischtechnik zwischen Mensch und Kormoran war jahrhundertelang erfolgreich, doch nun versiegt auch hier das Fischerglück. Grund? Der Mensch. Es tat sich ein riesiger Tourismusmarkt auf und so tuckern ununterbrochen Fähren und Ausflugskutter den ganzen Tag über durch alle Kanäle und hinterlassen Lärm, Gestank und Diesel im Wasser. Und dass die vielen Bugwellen stärker sind als die Fischer auf ihren kleinen Booten, ist ein Problem für sich.

Verheerend wirkt sich der Umstand aus, dass der Mensch die Natur schlicht als Produktions- und Geldmaschine behandelte und zugleich durch das eigene Verhalten diese Maschine zum Stottern bringt.