Wenn Jan Dutler in seinem Heimatdorf Hütten im Kanton Zürich zu Besuch ist, wird ihm immer wieder bewusst, was er erreicht hat. Vom Zimmermann aus einem 800-Seelen-Dorf hat es der 31-Jährige zum Artisten im grossen Showzirkus geschafft.
VON BENEDIKT LACHENMEIER
«Zwischendurch ist es schon schwer zu glauben, dass ich so ein Vertrauen in die Welt aufbauen konnte und so weit gekommen bin», sagt er zurückblickend. Bis Ende 2018 ist Jan Dutler mit dem Cirque du Soleil auf Tour. Die Reise führt von Zürich über Frankreich und England bis nach Russland. Inzwischen stand der Artist über 100 Mal als «The Foreigner» für die Show «OVO» auf der Bühne. «Es war schon immer mein Traum, dort dabei sein zu dürfen. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Wunsch jemals in Erfüllung gehen würde», sagt Jan Dutler, während er in Salzburg in der Umkleidekabine am Schminktisch sitzt und sich für den Auftritt bereitmacht.
«Der Zirkus hat mich schon immer fasziniert», verrät der Künstler. «Man fragt sich, was das für Leute sind. Ob der Clown auch zuhause so ist. Wenn man in den Zirkus geht, taucht man in eine Fantasiewelt ein. Das ist doch der Hammer.» Aber an ein Leben als Artist war früher nicht zu denken. «Ich komme aus einer ordinären Schweizer Familie. Da macht man halt eine Lehre», erklärt er. Jans Vater war Schulhausabwart, seine Mutter arbeitete in einem Altersheim. Also lebte der Zürcher Oberländer seine Leidenschaft für die Performancekunst als Schlagzeuger in einer Schülerband aus. Das war ihm aber nicht genug. «Mich nervte das wochenlange Proben, um dann eine Stunde lang vor 20 Leuten zu spielen. Ich wollte viel lieber auf der Strasse auftreten.»
Als 19-Jähriger brach der gelernte Zimmermann in die Welt auf. Zurück in der Heimat vermisste er das freie Nomadenleben. Und so beschloss der Hüttner, zusammen mit einem Freund für ein Jahr nach Australien zu ziehen – mit der klaren Absicht, von der Strassenmusik zu leben. Jan experimentierte in der Folge auch in anderen Ländern als Strassenclown mit Ukulele, Harmonika, Posaune und Beatboxen, bis er 2014 in Kanada landete. In Montréal studierte er Clownkunst, Mimik und Physical Theatre. Für seinen Traum, von der Kunst zu leben, gab der Zimmermann alles.
Besonders in Erinnerung bleibt ihm der kalte Winter in Kanada. Bei minus 20 Grad in der Früh machte Jan die Metro zu seiner Bühne. Zwischen Gleisen und Zügen präsentierte der Clown den Pendlern seine neusten Gags. Am Nachmittag ging es in die Schule oder auf den Bau, um Geld zu verdienen. Bereits während des Studiums kreierte der Artist eine 60- minütige Oneman-Cabaretshow und machte sich so in der Szene einen Namen. Seine Rolle beim Cirque du Soleil bezeichnet der Künstler als seinen Durchbruch.
«Ich habe das seit 2014 voll durchgezogen und bewiesen, dass ich auch als Artist mein Leben machen kann. Aber damit das gelingt, musst du mit vollem Herzblut dabei sein.» Das Nomadenleben gefällt dem 31-Jährigen nach wie vor. «Aber wenn du deinen Göttibub nur per Skype aufwachsen siehst, fragst du dich manchmal schon, ob es das wirklich wert ist.» Umso mehr hat ihn dann auch gefreut, dass sein damaliger Lehrmeister und seine Mutter im Oktober bei der Show in Zürich im Publikum sassen. Auch wenn ihn das ein wenig nervös gemacht habe, wie er verrät. Glücklicherweise ist seine Verlobte stets an seiner Seite. Mona arbeitet zurzeit als Bühnenbildnerin für die Show. Irgendwann möchte der Weltenbummler mit ihr sesshaft werden. Er träumt also nicht nur von einer eigenen Show in einem Zirkus, sondern eben auch von einem selbstgebauten Haus. Aber nicht in der Schweiz, sondern in Kanada.
Trotzdem sagt er: «Im Herzen bin ich immer noch ein Hüttner. An meiner Zuverlässigkeit, meiner Verbissenheit und meiner Pünktlichkeit merke ich immer wieder, dass ich Schweizer bin.» Seiner Heimat ist Jan dankbar. Denn diese wertvollen Tugenden hat der Artist in seinem 800-Seelen-Dorf im Zürcher Oberland entwickelt.