Was die Menschen beschäftigt

Unser Erbspezialist Benno Studer stand bei Radio DRS 1 für Fragen zum Thema «Testament» Red und Antwort. Der Ansturm war gross und viele Anfragen konnten nicht beantwortet werden. Wir nehmen den Ball auf und behandeln Erbsituationen, die auch unsere Leser interessieren dürften.

Vor 20 Jahren verstarb mein Gatte. Ich habe noch den Rest seiner Schulden bezahlt. In der Zwischenzeit konnte auch ich erben. Kinder haben wir keine. Sind die Geschwister meines verstorbenen Mannes erbberechtigt?

Es gilt der erbrechtliche Grundsatz: «Gut fliesst wie Blut.» Das heisst, an Ihrem Nachlass sind nur Ihre gesetzlichen Erben, also Ihre Geschwister, Nichten und Neffen erbberechtigt. Die Geschwister Ihres verstorbenen Mannes haben an Ihrem Nachlass kein Erbrecht. Da Sie keine pflichtteilgeschützte Erben haben, können Sie testamentarisch über Ihren ganzen Nachlass verfügen.

In einigen Erbverträgen werden manchmal gewisse Ziffern des Testamentes für die Erben verdeckt. Aus welchen Gründen geschieht das?

Es ist richtig, dass die Erblasser im Erbvertrag anordnen können, dass beim Tod gewisse Bestimmungen nicht eröffnet werden. Für dieses Vorgehen gibt es zwei Hauptgründe:

  • Die Eltern begünstigen sich beim Tod des ersten Ehegatten maximal und legen fest, dass ein Nachkomme nach dem Ableben des Zweitversterbenden nur den Pflichtteil erhält. Die Eltern wollen in diesem Fall nicht, dass der Nachkomme dies bereits beim Tode des erstverstorbenen Ehegattens erfährt und allenfalls aus Verärgerung den überlebenden Elternteil unter Druck setzen.
  • Kinderlose Ehegatten setzen sich oft gegenseitig als Universalerben ein und regeln, was mit dem Nachlass nach dem Tod des Zweitversterbenden geschehen soll. Die Ehegatten wollen nicht, dass man bereits weiss, welche Verwandte oder Institutionen beim Tod des zweitversterbenden Ehegattens erben. So können Beeinflussungsversuche von potenziellen Erben verhindert werden. Das könnte dann geschehen, wenn die überlebende Partei frei ist, testamentarisch eine, vom Erbvertrag abweichende Regelung zu treffen. Zum Beispiel, wenn der Erbvertrag beinhaltet, dass ein Neffe 20 000 Franken erhält, die Nichte jedoch leer ausgeht. Diese könnte nun im Wissen um den Wortlaut den Kontakt mit der Tante intensivieren.
  • Aber Achtung: Ich habe innert kurzer Zeit dreimal erlebt, dass trotz klarer Anordnungen der ganze Erbvertrag eröffnet wurde. Zwar haben sich die Gerichte für dieses Missgeschick entschuldigt, aber das «Unglück» ist trotzdem geschehen. In besonders heiklen Fällen bin ich deshalb dazu übergegangen, für die Regelung nach dem Tod des Zweitversterbenden einen separaten Vertrag zu verfassen und in einem Couvert mit dem Vermerk zu  versehen: «Darf nur beim gemeinsamen Tode, oder nach dem Tode der zweitversterbenden Partei geöffnet werden.» So ist sichergestellt, dass wegen Nachlässigkeiten keine heikle Situationen entstehen.

Dr. iur. Benno Studer präsentiert in der Rubrik Erben im 50plus Magazin jeweils aktuelle Fälle aus seiner Tätigkeit als Fürsprecher und Fachanwalt SAV Erbrecht. www.studer-law.com.

Ähnliche Beiträge

Diese Webseite benutzt Cookies