Sie verliess eine Karriere bei SRF, um mehr für die lebensnotwendige Biodiversität zu tun.

VON URS HEINZ AERNI

Sie war die erste Frau im Team von SRF-Meteo, ist jetzt Unternehmerin für die Sache der Natur und heisst Bettina Walch. Heute sorgt sie für Schlagzeilen wie diese in der NZZ: «Andere brechen in Banken ein, sie brechen den Boden auf: In Zürich machen zwei Frauen aus Asphaltflächen kleine Lebensräume,
von denen Bienen und Menschen profitieren.» Aber davon später.

Von SRF zum eigenen Unternehmen
In mehr als zehn Jahren war Bettina zu sehen und zu hören in verschiedenen Funktionen bei SRF, als Kaderfrau war sie ausserdem in der Programmleitung von Radio SRF3. Zu einem der Projekte, die sie in der Zeit geleitet hat, gehört «Mission B», das von SRF lanciert wurde und heute vom Verein «Festival der Natur» weitergetragen wird. Als Bettina Walch 2020 50 wurde, habe sie gewusst, dass es an der Zeit ist, nochmals etwas Neues anzupacken. Ihre gesammelten Erfahrungen bei SRF und ihr Wunsch, mehr für die Umwelt zu tun, bewog sie, das Medienhaus am Leutschenbach zu verlassen. 2021 gründete sie also ihre eigene Firma «Plan Biodivers», zusammen mit der Biologin und Filmerin Isabella Sedivy. Sie hatten sich bei der Projektarbeit zu «Mission B» kennen- und schätzen gelernt; Sedivy arbeitete zuvor für Sendungen wie «Netz Natur» und «Schweiz aktuell».

Blumen statt Asphalt
Zurück zur obengenannten Schlagzeile. Im Mai dieses Jahres hob eine Baggerschaufel eine Decke aus Stein und Erdöl, kurz: Teer, aus dem Boden und befreite die unten versiegelte Erde zu neuem Leben. Geschehen in Zürich unweit der Hardbrücke, zwischen Theater Schiffbau und einer Autowaschanlage. Geschehen früh am Morgen unter der Aufsicht der «Asphaltknackerinnen » Bettina Walch und Isabella Sedivy. Ziel der Aktion: Entsiegelung statt Versiegelung oder mehr Grün statt Grau. Das blieb medial nicht unbemerkt und so kam es zur Berichterstattung der «NZZ am Sonntag», die schrieb, dass gemäss Zahlen des Bundes «5 Prozent des Schweizer Bodens versiegelt ist, das entspricht der Fläche des Kantons St. Gallen.» Seit den 1980er-Jahren habe die versiegelte Fläche um fast 40 Prozent zugenommen, über dem europäischen Durchschnitt. Solche Zahlen mobilisieren die beiden Frauen und ihr Team von «Plan Biodivers». Sie gehen nicht nur Projekte wie dieses an, mit dem sie übrigens beim Projektwettbewerb «Für Züri» die Anschubfinanzierung
gewonnen haben, sondern bieten Unternehmen, Verbänden, Behörden und Privatpersonen ihre Unterstützung bei der Kommunikation oder bei strategischen Arbeiten zu Umweltthemen an. Zum Beispiel durch Beratung von Projekten, Vermittlung, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit. Übrigens, diese Asphalt-Aufknack-Aktion löst auch in der umliegenden Nachbarschaft Interesse aus. Diesen Sommer haben die beiden «Asphaltknackerinnen» in Frankfurt den zweiten Preis in Klimakommunikation entgegengenommen. Weitere Schweizer Städte bekunden ebenfalls Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit.

Naturnahe Kindheit
Der temperamentvollen Liechtensteinerin, die heute mit ihrer Familie in Zürich lebt, scheint das Anliegen bei der erfolgreichen Aktion «Mission B» den Ärmel für den Naturschutz «reingenommen» zu haben, wie man so zu sagen pflegt. «Ja» bestätigt sie und erklärt: «… allerdings bin ich schon naturnah aufgewachsen, meine Mutter war Freizeitgärtnerin und ich habe meine Kindheit grösstenteils in der Natur verbracht.» Es mache sie glücklich, nicht nur sich mit den Zusammenhängen in der Natur beruflich auseinandersetzen zu dürfen, sondern für deren «Erhalt und Förderung» einzusetzen. Der Journalismus bleibt ihr im Blut, auch beim Naturschutz: «Als Journalistin will ich die beste aller möglichen Geschichten herausarbeiten, so dass der Kopf die Zusammenhänge versteht und das Herz Freude daran findet. Mein Ziel: Mit möglichst einfachen und konstruktiven Ideen andere Menschen zum nachhaltigen Handeln anzuregen.»

Bis zum Retten von Würmern
Dass Bettina Walch naturliebend ist, erfuhr der Verfasser dieses Artikels schon vor einigen Jahren, als sie zusammen an einem Herbstabend in Lenzerheide in Graubünden einen Spaziergang machten, um röhrende Hirsche zu hören. Ob es Tierarten gibt, zu denen sie einen persönlichen Bezug hege? «Klar. Wobei ich beim Aufzählen bald mal aufhöre, denn am Schluss mag ich sie alle.» Ohne Ausnahme? «Doch», gab sie zu, mit «Blutschnecken und überzüchteten Nutz- und Haustieren» hat sie ihre liebe Mühe und begann doch noch einiges aufzuzählen, was sie besonders liebe: «Rabenvögel, Kornweihen, Schmetterlinge, Moorlandschaften, Flechten, Moose, Mohn und Kornblumen in Getreidefeldern, Blindschleichen» … und Gehäuseschnecken und Regenwürmern helfe sie immer wieder über die Strasse.
Bettina Walch versucht auch im Privaten ihren Fussabdruck zu verkleinern. So konsumiert sie viel weniger tierische Produkte als früher, kauft viel weniger Kleider und wenn immer möglich Bio-Lebensmittel. Sie gesteht jedoch, dass sie auch als Mieterin mehr tun könnte, beispielsweise noch mehr heimische Stauden und Sträucher pflanzen. Für den Herbst nimmt sie sich vor, zumindest mal etwas Totholz im Garten zu deponieren. Nützlich für viele Insekten und den Igel übrigens, dem sie im Hochsommer regelmässig Wasser hinstellt.

Natur bestimmt auch das Reisen
Wenn Bettina Walch um einen Lieblingsort in der Natur befragt wird, muss sie nachdenken, da es nicht den einen Ort gibt, aber spontan kommt ihr der Fürstin-Gina-Weg zur Pfälzerhütte in Liechtenstein in den Sinn, diese liegt auf 2108 Meter über Meer. Es sind Kindheitserinnerungen, die bis heute nachwirken: «Ich wandere immer wieder gerne in den Bergtäler Liechtensteins, insbesondere das Valünatal, egal ob auf der Loipe oder zu Fuss im Schnee», so Bettina und empfiehlt gleich noch eine andere Gegend: «Ich mag gerne den Auenwald bei Balzers und Fläsch am Rhein mit seinen Wurzelwegen, dem lauschigen Grün, die Sandbänke.» Was sie bedauert ist, was mit dem Rhein in ihrer alten Heimat gemacht wurde: «Der Rhein ist in meiner Region die reinste Wasserautobahn, das tut weh.» Heute als Bewohnerin der Stadt Zürich ist sie gerne fast täglich in und an der Limmat oder auf dem Zürichbergwald anzutreffen.
Was das Ausland angeht, so ziehe ihr Herz immer wieder in den Osten Deutschlands mit diesen Weiten, es sei eine «Sehnsuchtsregion ». Ein Traum wäre es, zusammen mit ihrem Mann in einem VW-Bus einfach loszufahren, bis in die Länder Zentralasiens. Doch wahrscheinlich führt ihre nächste Reise in den sehr nahen Osten, nach Liechtenstein zurück, um da ebenfalls den Asphalt aufzuknacken.

Infos
Plan Biodivers GmbH mit Sitz in Zürich unterstützt Firmen und Institutionen bei der Kommunikation oder Lancierung von Projekten zu Biodiversität und Klimaschutz. www.planbiodivers.ch

Mitinhaberin und Biologin Isabella Sedivy produzierte einen Dokumentarfilm über die industrielle Imkerei und ihren Einfluss auf die Wildbienen. Zu sehen in der SRF Mediathek mit dem Titel «Das Bienendilemma».

Dieser Bericht erschien in unserem 50plus Magazin September 2023.

Bettina Walch und Isabella Sedivy packen mit an, wenn der Asphalt der Natur weichen soll.