Wenn einen der Schlag trifft

Der Schlaganfall gehört zu den gefürchtetsten Erkrankungen überhaupt, denn nicht selten ist danach nichts mehr wie zuvor. Doch wer die Risiken und Anzeichen kennt, kann die Katastrophe oftmals verhindern.

VON SUSANNE STETTLER

Der Spuk dauert gelegentlich nur ein paar Minuten: Man kann nicht mehr richtig sprechen, sieht plötzlich doppelt oder auf einem Auge gar nichts mehr, hat Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen im Arm, der Hand oder einem Bein. Und dann ist mit einem Mal alles wieder wie weggeblasen. Die Erleichterung ist gross, doch die Ruhe trügerisch. Denn wer jetzt nicht reagiert und entweder selbstständig ein Krankenhaus aufsucht oder über die Notrufnummer 144 einen Krankenwagen bestellt, wird dies mit grosser Wahrscheinlichkeit bald bitter bereuen.

«Weil die Symptome bei einer solchen Streifung nach einigen Minuten verschwinden, werden sie von den Betroffenen leider oft nicht ernst genommen», sagt Prof. Dr. med. Marcel Arnold, Leiter des Stroke Centers am Inselspital Bern – einer Spezialabteilung für Schlaganfälle – und Stiftungsrat bei der Schweizerischen Herzstiftung. Tatsächlich handelt es sich bei der seltsamen Episode um die Vorboten eines Schlaganfalls, eine sogenannte transitorische ischämische Attacke, kurz TIA. Man kann auch von einer Streifung oder dem berühmten «Schlägli» sprechen. Wer dann nicht handelt, dem droht innert Stunden oder wenigen Tagen einen «richtigen» Schlaganfall zu erleiden. «Es ist wichtig, sich sofort im Spital zu melden. In diesem Moment besteht noch die Möglichkeit, die Gründe für die Symptome abzuklären und häufig auch einen Hirnschlag zu vermeiden», so der Spezialist. TIAs
treten bei schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Patienten vor dem eigentlichen Hirnschlag auf. Eine TIA oder ein Schlaganfall sind medizinische Notfälle!

Drei verschiedene Arten

Bei 85 Prozent der Schlaganfälle handelt es sich um einen Hirninfarkt oder ischämischen Hirnschlag, bei dem ein Blutgerinnsel ein Gefäss verstopft. Durch diese Durchblutungsstörung werden rasch Nervenzellen geschädigt und sterben ab. Weniger häufig ist die Hirnblutung, bei der ein Gefäss platzt und in der Folge Blut ins Hirngewebe gelangt und noch seltener die Subarachnoidalblutung, bei der ein Blutgefäss im Bereich der Hirnhäute einreisst und Blut zwischen Hirnhäute und Gehirn fliesst. Der Schlaganfall wird jedes Jahr für 15 000 Menschen in der Schweiz bittere Realität. Würden die Vorboten erkannt, ernst genommen und entsprechend reagiert werden, liessen sich viele Hirnschläge und deren tragische Folgen wie Sprachstörungen, Halbseitenlähmungen oder sogar der Tod verhindern. Und selbst beim akuten Schlaganfall macht die richtige Reaktion in der Regel einen grossen Unterschied, denn wer in den ersten Stunden nach Symptombeginn das Spital erreicht und entsprechend behandelt wird, übersteht das Ganze mit
etwas Glück gut oder mit weniger gravierenden Spätfolgen. «Etwa ein Drittel der Patienten bleibt im Alltag behindert, bei jüngeren Betroffenen ist es etwa ein Sechstel», erklärt Marcel Arnold. «Bei leichten oder früh behandelten Schlaganfällen stehen die Chancen sehr gut, das selbstständige Gehen wieder zu erlernen. Auch viele andere relevante Funktionen wie die Feinmotorik der Hand, die Sprache und die Orientierung im Raum können sich im Rahmen der Rehabilitation noch deutlich verbessern.» Eine grosse Hilfe ist zudem die App «HELP Notfall» (siehe unten) der Schweizerischen Herzstiftung. Marcel Arnold: «Darin sind die  Schlaganfallsymptome genau erklärt und sie unterstützt einen im Notfall.»

Der Einfluss des Lebensstils

Grossmehrheitlich sind Personen ab 65 Jahren betroffen, doch kann ein Schlaganfall in jedem Alter auftreten, sogar bei Kindern. Bei jüngeren Patienten liegt zwar gelegentlich eine entsprechende Veranlagung wie etwa ein Herzfehler vor, doch auch bei ihnen spielen die typischen Risikofaktoren eine grosse Rolle: Rauchen, unausgewogene Ernährung, Bewegungsmangel, Bluthochdruck,
hohe Cholesterinwerte, Übergewicht, Diabetes oder übermässiger Stress. Häufig sind dies Symptome eines ungesunden Lebensstils. Die Schlaganfallprävention besteht daher vor allem in einem gesunden Lebensstil mit Tabakverzicht, ausgewogener (mediterraner) Küche, ausreichend körperlicher Aktivität (idealerweise 30 Minuten pro Tag), der Vermeidung von Übergewicht und Stress. Erhöhte Blutdruck- und/oder Cholesterinwerte lassen sich zwar durch einen gesunden Lebensstil beeinflussen, müssen jedoch in der Regel medikamentös eingestellt werden. Ein Schlaganfall ist also nicht einfach nur eine üble Laune des Schicksals. Wer auf seine Gesundheit achtet und die Risikofaktoren möglichst vermeidet, senkt sein Hirnschlagrisiko massiv.

Die App

Bei einem Hirnschlag, einem Herzinfarkt oder einem Herzstillstand gilt es schnell das Richtige zu tun. Was das ist und wie das geht, erklärt die App «HELP Notfall» der Schweizerischen Herzstiftung. Im Notfall bietet sie konkrete Handlungsanleitung. Zudem gibt es einen Wissensteil, der alle relevanten Informationen zu Schlaganfall und Herzinfarkt enthält. Herunterzuladen ist die App «HELP Notfall» für iOS-Handy bei Apple iTunes und für Android-Handys bei Google Play (Suchbegriff «Schweizerische Herzstiftung»).

 

Spitäler

Diese Schweizer Kliniken verfügen über spezielle Hirnschlagabteilungen (Stroke Centers) oder Hirnschlagteams (Stroke Units) – Quelle: Schweizerische Herzstiftung

Aarau AG: Kantonsspital Aarau (KSA)
Baden AG: Kantonsspital Baden (KSB)
Basel: Universitätsspital Basel (USB)
Bern: Inselspital
Biel BE: Spitalzentrum Biel
Chur GR: Kantonsspital Graubünden (KSGR)
Freiburg: Kantonsspital Freiburg (HFR)
Genf: Universitätsspital Genf (HUG)
Grabs SG: Spital Grabs
Lausanne VD: Universitätsspital Lausanne (CHUV)
Lugano TI: EOC Lugano (Civico)
Luzern: Luzerner Kantonsspital (LUKS)
Neuenburg: Kantonsspital Neuenburg (HNE)
Nyon VD: Spital Nyon (GHOL)
Schlieren ZH: Spital Limmattal
Sitten VS: Spital Sitten (Hôpital du Valais)
Solothurn: Bürgerspital Solothurn (BSS)
St. Gallen: Kantonsspital St. Gallen (KSSG)
Winterthur ZH: Kantonsspital Winterthur (KSW)
Zürich: Universitätsspital Zürich (USZ) und Klinik Hirslanden, Stadtspital Triemli

 

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