In der Schweiz landet gemäss ETH-Studie jährlich rund ein Drittel aller Lebensmittel im Abfall. In Zahlen ausgedrückt: 2,8 Millionen Tonnen – ein krasser Auswuchs unserer Wohlstandsgesellschaft. Doch wie setzt man Abfallvermeidung im Alltag um? Wir liefern Ihnen die Tipps dazu.

Von Christian Meyer

Nein, wir wollen Sie im Folgenden nicht zu vermehrter Küchenarbeit verdonnern. Es geht vielmehr um das berühmte „Gewusst-wie“. Mit etwas Planung und umsichtiger Bewirtschaftung ihrer Küchenvorräte tragen Sie im Privathaushalt dazu bei, den Food-Waste-Wahnsinn und damit die Umweltbelastung einzudämmen. Das sind die willkommenen Nebeneffekte: Sie schonen Ihr Budget, Sie verwandeln oft Reste zu Folgegerichten von Format – und Sie sparen obendrein Zeit. Ja, richtig, mit etwas Planung und Küchenorganisation holen Sie die mit Resteverwertung verbrachte Zeit locker wieder herein.

Aufgewärmtes ist keinesfalls immer zweite Wahl. Sauerkraut liefert ein anschauliches Beispiel, dass sich Resteverwertung und Genuss nicht gegenseitig ausschliessen. Überbleibsel von gekochtem Sauerkraut wegzuwerfen, ist ein Frevel, denn aufgewärmt schmeckt es auch. Manchmal sogar besser als frisch: Intensiver und gleichzeitig milder. Ein weiteres Beispiel: Reste vom Sonntagsbraten kann man würfeln und zusammen mit knackigem Wok-Gemüse in ein Asia-Gericht verwandeln. Ersetzen Sie einfach das Frischfleisch im Rezept durch kalten Kalbs- oder Schweinebraten (nur kurz erhitzen). Selbstverständlich kann man kalten Braten auch in dünne Tranchen aufschneiden und in ein Sandwich packen. Oder: Aus gebratenem Poulet, fein geschnittenem Salat in Mayonnaise, gebratenem Speck und Tomatenscheiben auf Toast entsteht das legendäre „Club-Sandwich“. Und dieser Evergreen muss  erwähnt werden, weil er einfach herrlich schmeckt: kalter Braten mit warmen Bratkartoffeln. Mit Salat serviert, ergibt dies eine vollwertige Mahlzeit und zufriedene Mienen am Tisch.

Zum Fisch: Kalter, gebratener oder gedünsteter Lachs offenbart zusammen mit einer frischen Mayonnaise oder Senfsauce neue, intensive, komplexe Aromen und gehört in jedem Fall auf ein festliches Sommerbuffet. Wenn Sie, um Zeit zu sparen, gleich die doppelte Menge Lachs zubereiten, stellen Sie den Rest sofort kühl. Gekocht und mit Klarsichtfolie abgedeckt, hält sich Fisch mindestens zwei Tage im Kühlschrank. Übrigens: Gräten vom ganzen, gebratenen Fisch keinesfalls wegwerfen! Daraus lässt sich mit einer Handvoll Zwiebel- Sellerie- und Karottenwürfel binnen 30 Minuten ein Fischfond köcheln – Basis für eine Fischsuppe oder eine Weissweinsauce von Format.

Schon beim Einkaufen an Abfallvermeidung denken.

Lachs, auch Bio-Lachs, wird zuweilen aktionsweise in Grosspackungen angeboten. In solchen Fällen unbedingt zugreifen. Wenn Produzenten Aktionen anbieten, heisst dies in der Regel, dass Überbestände bestehen. Schlagen Sie ferner gnadenlos zu, wenn im Laden die Preissenker am Werk sind. Das können Sie trotz nahendem Ablaufdatum bedenkenlos tun, wenn Sie so flexibel sind, dass Sie die vergünstigten Einkäufe am gleichen oder spätestens am folgenden Tag verarbeiten können. Sie wollen nicht als Schnäppchenjäger dastehen? Mitleidige Blicke im Supermarkt können Sie getrost ignorieren. Sie leisten mit Ihren Gelegenheitskäufen einen wichtigen Beitrag, Lebensmittelverschwendung an vorderster Front zu minimieren. Ganz nebenbei entlastet dieses Vorgehen auch Ihr Budget.

Die allgegenwärtigen Smartphones

Abfallvermeidung per Smartphone: Es stehen mehrere Apps zur Verfügung, die eine flexible Menuplanung erlauben. Fast alle bieten Vorschläge, einige liefern zusätzlich Rezepte, Einkaufslisten oder erlauben gar mehreren Personen den Zugriff.

Durch Grosseinkauf gerät jetzt vielleicht Ihre Menuplanung durcheinander. Doch da gibt es Abhilfe durch das Smartphone. Sowohl die Android- als auch die iPhone-Welt bieten mehrere Apps zur flexiblen Menuplanung an; einige mit Vorschlägen und Rezepten samt Einkaufslisten, manche lassen sogar zu, dass sich Dritte via Web an der Planung beteiligen. Bei fast allen Apps lassen sich ganze Tagesmenüs oder einzelne Komponenten beliebig verschieben, speichern, neu kombinieren. „Wir haben coole Grosseltern“ werden sich Ihre Enkelkinder vor dem nächsten Wochenendbesuch sagen, wenn sie die heissgeliebten Lasagne aus Ihrer Küche „vorbestellen“ können! Falls Sie die gute alte Wandtafel oder den Notizblock bevorzugen: Nur zu – wichtig ist, dass Sie mit System vorgehen.

Der Gruss aus der Küche

Nach den Erhebung der ETH sind Privathaushalte mit rund 40 Prozent Anteil die grössten Umweltsünder, denn Restebewirtschaftung gehört in den meisten Restaurants und in der Lebensmittelbranche seit jeher zum Alltag. Dazu ein brillantes Beispiel: Eine gut geführte Pizzeria am Zürichsee serviert mittags als überraschender Gruss aus der Küche ein Gemüsecremesüppchen in der Espressotasse. Arbeitsaufwand für die Verwendung von Gemüse vom Vortag? Mit einem Tausendsassa der Küche (Thermomix, Monsieur Cuisine, Moulinex Companion) hergestellt, vernachlässigbar. Quasi null. Der Effekt am Tisch ist indessen gross. Eleganter kann man Gemüsereste vom Vortag, mit etwas frischen Zwiebeln und Karotten ergänzt, kaum in Szene setzen. Wobei: Multifunktionsgeräte wie der „Thermomix“ sind praktisch; ein Stabmixer zum Preis von 20 Franken vom Discounter tut aber seinen Dienst notfalls auch.

Apropos Gemüse

Der puren Not gehorchend, war es einst selbstverständlich, dass man in Ermangelung von Kühl- und Tiefkühlmöglichkeiten die Ernte konservierte und Vorräte anlegte: Mittels Einlegen, Einsalzen, Einwecken/„Einmachen“ oder Fermentieren. Es ist auch in der Spitzenküche keineswegs so, dass alles möglichst frisch auf den Tisch kommen muss, siehe Sauerkraut. Küchenchefs machen sich dies gezielt zu nutze, und zwar mit Zubereitungen, welche die Arbeit erleichtern und gleichzeitig für Geschmackssensationen sorgen.

Das bringt uns zum eingelegten Blumenkohl, von manchen Spitzenköchen als Gemüse mit geradezu magischen Geschmacksnuancen gepriesen. Das Zauberwort heisst hier: weisser Balsamico-Essig. Reste von gekochtem Blumenkohl kann man in Röschen zerteilen und in eine milde Salatsauce, bestehend aus je einem Drittel weissem Balsamico-Essig, Öl und etwas Gemüsebouillon einlegen. Genau so können Sie weitere Gemüsesorten in der Salatsauce ziehen lassen, etwa gekochte grüne Bohnen oder auch Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen. Praktischer Nebeneffekt: Die Zubereitung „zieht“ nicht nur durch. Die Säure in der Sauce sorgt zusätzlich dafür, dass Sie derart zubereitete Salate ohne nennenswerten Qualitätsverlust zwei, drei Tage im Kühlschrank aufbewahren können.

Bestimmte Saucen und Zutaten, etwa italienisches Pesto (sicher kennen Sie die Basilikum – Pinienkerne – Parmesan – Olivenöl-Zubereitung) gewinnen ebenfalls an Intensität, wenn sie ein paar Tage vor dem Verzehr im Kühlschrank „ziehen“.

Der Trick mit den Portionen

Gegen „Aufschieberitis“ (Fachausdruck „Prokrastination“) kämpfen wir alle in mehreren Lebensbereichen. Übers Jahr gerechnet, kann Zögern in der Küche ganz schön ins Geld gehen. Entscheiden Sie beispielsweise sofort, ob Sie Reste von gekochtem Gemüsepaprika/Peperoni weiter verarbeiten oder sofort in den Tiefkühlschrank (TK) geben wollen. Sie können zusätzlich frische Ware kaufen, rote, gelbe und grüne Peperoni separat in etwas Bouillon sehr weich kochen, mit dem Stabmixer fein mixen und in haushaltgerechten Portionen tiefkühlen. Mit einer gebratenen Fischtranche oder ein paar Pouletfilets bringen Sie später im Handumdrehen ein attraktives, farbenfrohes Menu auf den Tisch.

Künftig sorgsamer mit Lebensmitteln umgehen, das nehmen wir uns alle vor. Keine Gnade sollten sie jedoch bei Schimmelbefall auf Brot, Konfitüre, Gemüse, Obst und Beeren walten lassen. Sofort weg damit.

Weitere Tipps und Hinweise zum Thema Abfallvermeidung/Food Waste finden Sie auf unserer Fortzsetzung…