Alles ist heute smart: Mit Apps lässt sich das Haus verschliessen, die Fitness beurteilen, das Essen durchleuchten. Kann man mit smarten Methoden auch den Schlaf verbessern?

VON MARIUS LEUTENEGGER

Eine Marktanalyse des US-amerikanischen Marktforschungsinstituts Orbis Research sagt voraus, dass der weltweite Markt für smarte Schlaflösungen in den nächsten Jahren um über 11 Prozent wachsen wird. Schon jetzt gibt es eine Vielzahl von Gadgets und Apps, die genau das versprechen, was ein bekannter Schweizer Matratzenhersteller schon vor dreissig Jahren versprach: «en tüüfe gsunde Schlaf».

Technik im Schlafzimmer

Allerdings heisst es, man solle Technik so weit wie möglich aus dem Schlafzimmer verbannen. «Aber wer hält sich schon daran?», sagt Esther Werth, Schlafexpertin und Leiterin des Schlaflabors Neurologie am Universitätsspital Zürich. «Normal ist heutzutage eher, dass man zumindest sein Handy auf dem Nachttisch liegen hat, damit man auch ja keine Nachricht verpasst.» Statt aber nur unbewusst auf das Surren der nächsten Whatsapp-Message zu warten, könnte man das Smartphone auch dazu nutzen, seinen Schlaf zu überwachen. Schon seit einigen Jahren gibt es sogenannte Schlaf-Tracker. Das Prinzip ist einfach: Statt auf das Nachttischchen legt man das Smartphone neben das Kopfkissen. Nun misst die App über Nacht je nach Ausführung Bewegungen und Geräusche, in Verbindung mit tragbaren Gadgets sogar Puls, Herzfrequenz und mehr. Am nächsten Morgen steht die Auswertung grafisch aufbereitet parat.

 

Brauchbare Anhaltspunkte

Alles nur Schnickschnack? Esther Werth verneint. «Die Sensoren und die hinter der Analyse stehenden Algorithmen werden natürlich immer besser. Anhaltspunkte für die Schlafqualität können solche Apps daher schon bieten.» Allerdings dürfe man sich nicht auf die Auswertung versteifen, denn ein Telefon ist immer noch ein Telefon und kein medizinisches Gerät. Ungenauigkeiten seien deshalb eher die Regel als die Ausnahme. Interessant wird es, wenn die App sagt, dass man recht gut geschlafen habe, man selbst sich aber wie gerädert fühlt. Hier sei zwar der persönliche Eindruck prioritär. «Aber wir haben im Schlaflabor schon Fälle erlebt, bei denen die Messwerte ganz klar belegten, dass der Patient schlief», erzählt die Expertin. «Er selbst schwor aber Stein und Bein, kein Auge zugemacht zu haben.» Man spricht in solchen Fällen von einer Schlafmisperzeption. Jedoch sollte man sich von ein, zwei solchen Diskrepanzen von App und Eindruck nicht beunruhigen lassen. Beobachtet man sie allerdings über einen längeren Zeitpunkt, könnte eine professionelle Abklärung angebracht sein.

 

EEGs für den Privatgebrauch

Am Hightech-Ende der smarten Schlafoptimierungsanwendungen stehen seit kurzem Kopfbügel, die mittels Sensoren ein Elektroenzephalogramm (EEG) erstellen. Diese Geräte messen die Aktivität des Gehirns und schicken sie an eine zugehörige App. Diese bildet die Gehirnwellen grafisch ab und schlägt aufgrund der Werte Übungen vor, die den Schlaf des Nutzers verbessern sollen: von einfachen Spaziergängen bis zu Atemübungen vor dem Einschlafen. «Die Idee dahinter ist durchaus wertvoll», sagt Esther Werth. Derzeit betreiben die Schlafforscher der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit der ETH ein Projekt namens Sleep Loop. Einerseits wird dabei versucht, mit einem Stirnband im Schlaf Hirnströme zu messen und zu interpretieren. Andererseits habe sich im Verlauf des Projekts gezeigt, dass sich Hirnwellen im Tiefschlaf tatsächlich manipulieren lassen. Werth: «Gibt man den Hirnwellen zu einem bestimmten Zeitpunkt einen akustischen Impuls, lassen sich die Tiefschlafwellen positiv beeinflussen. Dadurch, so die These, lässt sich der erholsame Schlaf intensivieren.» Ob da ein Gerät aus dem Smart-Home-Umfeld mithalten kann? «Vermutlich nicht», sagt Werth, «denn den richtigen Zeitpunkt und die richtige Impulslautstärke zu treffen, ist heikel.»

 

Es werde anderes Licht!

Unter dem Strich lässt sich sagen, dass smarte Schlafanwendungen durchaus ihren Nutzen haben können – wenn man sie in dem Bewusstsein nutzt, dass der Genauigkeit Grenzen gesetzt sind und es für die Interpretation von Werten immer noch einen Profi braucht. Denn davon, dass man beim Arzt das Handy mit den App-Auswertungen vorlegt und dieser daraus die richtigen Schlüsse zieht, ist die Smart-Home-Technologie noch weit entfernt. Technische Hilfe gibt es aber auch eine Stufe tiefer, nämlich hinsichtlich der sogenannten Schlafhygiene – etwa in Form eines Beleuchtungssystems, das die Lichtfarbe verändern kann. «Tagsüber braucht man ein Lichtspektrum, das möglichst hell ist», erklärt die Somnologin. Der Blaulichtanteil ist in diesem Tagesspektrum hoch. «Am Abend ist es jedoch ratsam, ein wärmeres, subjektiv weniger helles Licht zu haben. So wird der Körper langsam auf den Schlaf vorbereitet.» Smart!