Fadri Bott ist seit 28 Jahre Nationalparkwächter im Schweizerischen Nationalpark. Sein Traumjob, wie er sagt.  Seit zehn Jahren amtet er als Chefparkwächter. Er kennt das riesige Schutzgebiet wie seine Westentasche.

Wie sieht ein Arbeitstag bei Ihnen aus?

Mein Arbeitstag hängt mit der Jahreszeit und dem Wetter zusammen. Im Winter ist das Gebiet im „Winterschlaf“, für die Besucher gesperrt. Somit beschränken wir uns auf Aufsichtstouren, Zählungen der Huftiere, Brutdokumentationen der grossen Greifvögel und speziell des (Aasfressers) Bartgeiers, Einfang von Huftieren und Füchse für Forschungsprojekte oder mit Telemetriearbeiten der besenderten Tiere, die wir die Daten sammeln usw.

In dieser Zeit, wenn das Wetter und die Schneesituation keinen Aussendient erlauben, sind wir vermehrt in der Werkstatt am Vorbereiten für die Unterhaltsarbeiten der Infrastruktur, wie vorfabrizierte Brücken, Mobiliar für unsere Schutzhütten oder auch Arbeiten für den Besucherzentrum und das Direktionsgebäude „Schloss Planta Wildenberg“. Wir unterstützen die Forschung beim Auswerten der Daten am PC oder archivieren Fotodokumentationen, die wir das ganze Jahr gesammelt haben. Wir kompensieren im Voraus, um in der Sommersaison den Arbeitsaufwand zu bewältigen.

Im Frühling, wenn die Schneeschmelze einsetzt, beginnen wir mit den Unterhaltsarbeiten an den Wanderwegen. Im Sommer sind wir vermehrt mit Aufsicht des Gebiets und Auskunft für die Besucher unterwegs. In dieser Zeit zählen wir die Huftiere, wo wir bereits über grosse Langzeitdaten verfügen. In den letzten Jahren, durch die Auswirkungen der Klimaerwärmung, lösen heftige Gewitter grosse Murgänge aus, die unsere Wanderwege stark zusetzen. Das ganze Jahr unterstützen wir die Forschung bei Monitoringsarbeiten. Im Herbst kontrollieren und unterstützen wir den Jagdbetrieb an der Grenze zum SNP (im Park gelten strenge Verhaltensregeln, unter anderem gilt ein Jagdverbot), wenn allfällige Nachsuchen im SNP enden und beaufsichtigen das Gebiet. In dieser Zeit ist die Hirschbrunft im Gange. Das Spektakel wird von vielen Besuchern verfolgt, und wenn in dieser Zeit die Liebe den Hirschstieren sozusagen blind macht und zutraulicher werden, sind wir vermehrt auch in der Nacht unterwegs.

Im Herbst sind wir mit Einwinterungsarbeiten beschäftigt und gehen wieder im Wintermodus über. Meine Aufgabe als Chefparkwächter ist unter anderm die Arbeitseinsätze zu koordinieren, den Dienst einzuteilen und als Kontaktperson zu den anderen Bereichen im SNP, oder Partnerorganisationen zu unterstützen.

 

Verraten Sie Ihre Lieblingsorte im Park?

Meine Lieblingsplätze im Park sind sicher auch Gebiete abseits der Wanderwege, die ich aber selten besuche, um nicht Störungen zu verursachen. Es gibt so viele schöne Plätze auf den Wanderwegen im SNP und wenn dann noch bei Morgen-oder Abendstimmung, mit Nebelbänke wie bei den Bildern von Wildmaler Moser, diese zur Geltung kommen, ist das Spektakel mit einer Wildbeobachtung perfekt.

Das kann das schöne Panorama und die Flora auf Munt la Schera sein. Die wilde Natur im Cluozzatal, die Wildbeobachtungen im tierreichsten Tal, auch über den Sommermonaten mit der Krönung der Hirschbrunft in der Val Trupchun. Wie in einer Fabelwelt bietet auch das Hochplateau der Lais das Macun den Besuchern atemberaubende Erlebnisse. Am besten man nimmt sich Zeit und durchwandert in ein paar Tagen den Park.

 

Was sind die „Big Five“ des Nationalparks? 

Die „Big Five“ sind sicherlich für die Kinder das Murmeltier, der Hirsch, der Steinbock, die Gämse und der Bartgeier und Steinadler, die man auch täglich beobachten kann. Heimliche Tiere, die nun auch zur Fauna des SNPs gehören wie Wolf, Luchs, Bär und Fischotter, sind eine grosse Aufwertung für das naturnahe Zusammenleben der Tiere und eine Bereicherung für die Natur.

 

Welches Tier fasziniert Sie am meisten?

Ich will mich nicht gerne nur auf eine Tierart beschränken, denn die Jahreszeit, ein unverhoffter Anblick, die Paarungszeit (wo sich die Männchen, wie bei den Gämsen im schwarzen Frack präsentieren), lassen mich immer wieder über die Beobachtungen staunen.

Wenn ich mich aber festlegen muss, ist es wahrscheinlich der Bartgeier. Seine Grösse, sein Aussehen … hat manchem einen Schrecken eingejagt, was ihm früher zum Verhängnis wurde und er ausgerottet wurde. Diese kräftigen Farben, seine Flugkunst, diese Eleganz und sein Verhalten, beim Suchen nach Nahrung (Aasfresser) auf kurze Distanz vorbeizufliegen. Die Bartgeier beginnen ihre Brut im Januar, wo eisige Temperaturen herrschen und nach gut 52 Tage schlüpfen die Küken. In dieser Zeit apern die Lawinenfelder aus und der Tisch für die Aufzucht der kleinen ist gedeckt. Ausfliegen tut immer nur ein junger Bartgeier pro Brut, gelegt werden meistens immer zwei Eier, einer auf Reserve, der aber vom stärkeren Küken aufgefressen wird (Kannibalismus). Im SNP Gebiet brüten vier Paare regelmässig erfolgreich. Eindruck macht mir das Bartgeierpaar in Livigno, wobei die ausgesetzten Bartgeier Moische (30 Jahre alt) und CIC (28 Jahre alt) dieses Jahr bereits ihren 20. jungen Bartgeier aufziehen!

Seine Geschichte, die erfolgreiche Wiederansiedlung mit den erfolgreichen Naturbruten ist eine Bereicherung für unser Alpenwelt.