Nun ist es klar: ab dem 1. Januar 2023 gilt das neue Erbrecht. Dies hat der Bundesrat diesen Frühling beschlossen. Die wichtigsten Aenderungen betreffen die Pflichtteile.

VON BENNO STUDER

Was heisst das: Bis zum 31. Dezember 2022 gilt noch das alte Recht. Umgekehrt: Wenn eine Person nach dem 31. Dezember 2022 stirbt, gilt automatisch das neue Recht.

An einem Nachlassvermögen von Fr. 200‘000.00 wird der Unterschied zwischen altem und neuem Recht aufgezeigt. An den gesetzlichen Erbquoten, d.h. wenn jemand stirbt, ohne eine letztwillige Verfügung getroffen zu haben, ändert sich nichts.

Fall 1 (Ehegatte / Nachkommen)

gesetzliche Erbfolge (d.h. Regelung ohne Testament und Erbvertrag)

Das Erbe wird hälftig zwischen Ehegatte und Nachkommen aufgeteilt.

 

altes Recht (Regelung mit Testament oder Erbvertrag)

Die Maximalbegünstigung des überlebenden Ehegatten beträgt Fr. 125‘000.00.

 

neues Recht

Die Maximalbegünstigung des überlebenden Ehegatten beträgt Fr. 150‘000.00.

 

Spezialbestimmung altes Recht

Durch Erbvertrag oder Testament konnte dem überlebenden Ehegatten gegenüber gemeinsamen Nachkommen neben Eigentum auch die Nutzniessung zugewendet werden.

altes Recht

neues Recht

Fall 2 (2 Nachkommen, Fritz und Hans)

gesetzliche Erbfolge (ohne Testament / Erbvertrag)

Jeder Sohn erhält Fr. 100‘000.00.

altes Recht (mit Testament / Erbvertrag)

Fritz ist auf den Pflichtteil gesetzt. Er erhält Fr. 75‘000.00. Wird Hans die verfügbare Quote zugewiesen, erhält er Fr. 125‘000.00.

Werden Fritz und Hans auf den Pflichtteil gesetzt, beträgt die freie Quote Fr. 50‘000.00, womit z.B. eine Institution begünstigt werden kann.

neues Recht

Fritz ist auf den Pflichtteil gesetzt. Er erhält Fr. 50‘000.00. Wird Hans die verfügbare Quote zugewiesen, erhält er Fr. 150‘000.00.

Werden Fritz und Hans auf den Pflichtteil gesetzt, beträgt die freie Quote Fr. 100‘000.00, womit z.B. eine Institution begünstigt werden kann.

 

Fall 3 (Ehegatten kinderlos, Eltern leben noch)

altes Recht (gesetzliche Erbfolge, d.h. ohne Testament oder Erbvertrag)

altes Recht (mit Testament / Erbvertrag)

neues Recht (mit Testament / Erbvertrag)

Dem überlebenden Ehegatten kann somit der ganze Nachlass zugewendet werden. Dies galt bisher schon im Verhältnis zu den Geschwistern, die auch nach altem Recht keinen Pflichtteilsanspruch hatten.

Fall 4 (Konkubinatspaar oder ledig, ohne Nachkommen)

altes Recht (gesetzliche Erbfolge, d.h. ohne Testament oder Erbvertrag)

Ist ein Elternteil oder sind beide Elternteile verstorben, treten an deren Stelle die Geschwister.

altes Recht (mit Testament / Erbvertrag)

neues Recht

In der praktischen Auswirkung dürfte dies die Neuerung mit dem grössten Potential haben. Vor allem Konkubinatspaare können künftig auf den mühsamen Weg eines Erbverzichtsvertrages der Eltern verzichten.