AHV-Renten sind krisenfest

Die Auswirkungen der neuen Lungenseuche Covid-19 werden auch die persönliche Vorsorge stark tangieren. 50plus hat sich bei Finanzexperten umgehört, was in dieser Krisenlage sinnvollerweise zu tun ist und wie man sich wappnen kann.

VON FREDY GILGEN

Wann ist der Spuk endlich vorbei? Noch vor allem andern interessiert jedermann, wie lange die Krise noch andauern wird. Kann das etwa aus der Vergangenheit oder am Beispiel anderer Länder geschlossen werden? Eher nicht. Denn die Corona-Rezession ist der erste faktisch staatlich verordnete Wirtschaftseinbruch. Die Behörden der meisten Länder haben wegen der raschen Ausbreitung des Corona-Virus das Wirtschaften ab Mitte März dieses Jahres schlicht untersagt. Und dies breitflächig. Mit dramatischen Folgen für nahezu alle globalen und nationalen Wirtschaftsindikatoren. Sie brachen oft mit zweistelligen Raten ein.

Dafür schnellten die Arbeitslosenzahlen weltweit in beängstigendem Tempo in die Höhe. Leider ist nun wenig wahrscheinlich, dass der Hebel einfach auf volle Fahrt umgelegt werden kann. Zumal der in unserem Land ab Mitte Mai verordnete Neustart, nicht schlagartig, sondern vorsichtig Schritt um Schritt erfolgen soll. Eine explosive Wiederbelebung des wirtschaftlichen Geschehens wird es also nicht geben. Die von 50plus befragten Bankökonomen sind trotzdem zuversichtlich, Minderverdass die Wirtschaft bereits in der zweiten Jahreshälfte wieder an Fahrt zulegen wird (siehe unten).

Warum haben sich die Aktienmärkte bereits deutlich erholt?

Noch mehr Optimismus signalisieren die Börsen. An den Aktienmärken hat seit Ende März eine kräftige Aufwärtsbewegung eingesetzt, dies obschon die Krise weltweit noch andauert. Ein gutes Zeichen? «Ja», sagt der erfahrene Börsenexperte Alfons Cortés. Er interpretierte das Geschehen bereits Anfang April als das «Ende der Panik». Die Finanzmarktexperten der Schweizer Banken bleiben skeptisch. Rolf Biland, Anlagechef beim VZ VermögensZentrum, wägt ab: «Einerseits war der Kurssturz sehr rasch und heftig ausgefallen, was spekulative Käufe ausgelöst hat. Andererseits haben die umfassenden geldund fiskalpolitischen Rettungspakete kurzfristig wieder Vertrauen gegeben.» Doch es bleibe abzuwarten, wie einschneidend die Auswirkungen des Virus auf die Konjunktur tatsächlich sein werden. Nach Ansicht der Experten des Versicherers Swiss Life haben die Aktienmärkte positiv auf die gespannten Sicherheitsnetze von Geld- und Fiskalpolitik reagiert: «Die Rezession ist bereits in die Aktienpreise  ingeflossen.»

Das grösste Risiko seien nun Rückschläge bei der Suche nach Behandlungsmethoden oder Impfstoffen. Raiffeisen sieht vor allem zwei Gründe für die starke Erholung seit den Tiefstständen: «Erstens haben die Notenbanken und Regierungen mit nie dagewesenen Rettungsmassnahmen reagiert. In gewissen Ländern machen diese Unterstützungspakete bis 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Der zweite Grund liegt in der Abflachung der Corona-Neuinfektionen.» Es sei ein gutes Zeichen, dass sich die Finanzmärkte nach dem massiven Einbruch stabilisiert hätten und auch die Volatilität weniger ausgeprägt sei. Weitere Kursrücksetzer seien aber wahrscheinlich, doch die Jahrestiefsts dürften nicht nochmals getestet werden.

Wird meine Pensionskassenrente nach Corona tiefer ausfallen?

«Ja», lautet da die nüchterne Antwort der Experten. Manche sagen es unverblümt, andere eher schonend. Fakt ist aber: Schon ohne Corona sind die Pensionskassenrenten seit fünfzehn Jahren am Sinken. Dies einerseits wegen der stetig steigenden Lebenserwartung und andererseits wegen dem anhaltenden Zinstief. Als Folge davon ist der gesetzliche Umwandlungssatz im Rahmen der 1. BVG-Revision von 2006 bis 2014 schrittweise auf 6,8 Prozent gesenkt worden. Die aus ökonomischen Gründen zwingende Senkung auf 6,0 Prozent ist am Veto der Stimmbürger gescheitert. Dafür ist der Satz für überobligatorische PK-Gelder, den die Kassen selbst festlegen können, umso schneller, auf teilweise auf unter 5 Prozent, heruntergeschraubt worden. Tendenz weiter sinkend. Rolf Biland Anlagechef beim VZ VermögensZentrum: «Der Deckungsgrad der Pensionskassen hat sich nach dem Corona-Schock deutlich verschlechtert. Der Umwandlungssatz wird also mittelfristig weiter unter Druck stehen und die zukünftigen Renten werden tiefer ausfallen.» Die Ökonomen der Berner Kantonalbank BEKB stimmen zu: «Ja, tiefere Renten sind sehr wahrscheinlich. Aber nicht erst wegen Covid-19 und eher nicht wegen den Aktienmärkten. Das seit längerer Zeit andauernde Tiefzinsumfeld drückt auf die Erträge der Vorsorgeeinrichtungen und belastet die Verzinsung der zukünftigen Renten. Und Covid-19 hat die Tiefzinsphase nun nochmals um ein paar Jahre verlängert.»

Könnten einzelne PKs in Schwierigkeiten kommen?

«Je nach Härte und Dauer der Krise könnten bei einigen Vorsorgeeinrichtungen Sanierungsmassnahmen notwendig werden», befürchten die Experten der Credit Suisse: «Das könnte für deren Versicherte zu Minderverzinsung oder Zusatzbeiträgen führen. Die bereits gesprochenen Renten sind hingegen sehr sicher, da ein Sanierungsbeitrag Einschränkungen unterliegt und lediglich als letztmögliche Massnahme erhoben werden darf.»

Wie sicher ist meine AHV Rente noch?

Da steht es nach Ansicht der Bankökonomen etwas besser: «Die AHV-Rente ist immer noch vergleichsweise sicher. So hat der AHV-Fonds im letzten Jahr einen grossen Überschuss erzielt», sagt Rolf Biland. Wegen der demografischen Entwicklung und der Alterung der Bevölkerung werde die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag jedoch jedes Jahr grösser. Die schlechte  Börsensituation als Folge der Corona-Krise verschärfe die Situation zusätzlich. Dank den schon aufgegleisten Reformprogrammen sollten die Renten aber auch über die nächsten Jahrzehnte gesichert sein. «Die Stabilität der im Umlageverfahren finanzierten AHV ist primär vom Verhältnis von Erwerbstätigen und Rentnern abhängig, vom so genannten Altersquotienten», erläutert die Zürcher Kantonalbank ZKB. Insgesamt dürfte die Krise diesen Quotienten nur wenig verändern. Also sind vorläufig keine Leistungskürzungen oder Beitragserhöhungen bei der AHV zu erwarten. «Kurzfristig sind die gesprochenen Renten auch in Krisenzeiten gesetzlich garantiert», sekundiert UBS-Vorsorgeexpertin Jackie Bauer. Und auch die Credit Suisse beruhigt: «Trotz der aktuellen Situation ändert sich für Rentner und Personen, welche in nächster Zeit pensioniert werden, in der kurzen Frist wenig. Die Dringlichkeit von Reformen zur Sicherstellung der AHV-Leistungen für künftige Rentner nehme aber weiter zu.

Was wenn meine Bank in Schwierigkeiten kommt? Ist mein Geld zuhause sicherer als auf der Bank?

«Diese Frage kann klar mit Nein beantwortet werden », erklären die Bankökonomen unisono. Nach Ansicht der ZKB sind die Schweizer Banken aktuell sehr stabil aufgestellt: «Die heutige Situation lässt sich nicht mehr mit der Zeit vor der Finanzkrise vergleichen. Sollte ein Institut dennoch zahlungsunfähig werden, unterliegen Kontoguthaben bis 100 000 Franken pro Kunde dem Einlegerschutz. Einige Kantonalbanken verfügen über eine Staatsgarantie. Wichtig zudem: Deponierte Wertschriftenguthaben fliessen nicht in die Konkursmasse einer Bank ein und werden dem Eigentümer zurückgegeben.» Dies alles spreche klar dagegen, grössere Vermögenswerte zuhause aufzubewahren. Auch die anderen Banken raten ihren Kundinnen und Kunden davon ab, grössere Bargeldbestände Zuhause zu halten. Im Gegensatz zur Finanzkrise vor elf Jahren bestehe heute keine Bankenkrise.

Wo sind meine Ersparnisse vor Kursverlusten am besten geschützt, auf Sparkonti, bei Staatsanleihen, in der Säule 3a oder anderswo?

«Garantiert keine Kursverluste gibt es nur auf dem Sparkonto», sind sich die Experten einig. «Allerdings gibt es dort auch keine Kursgewinne und die Inflation darf nicht steigen, soll es keine Kaufkraftverluste geben», erklärt die ZKB: «Wer in den letzten zehn Jahren mit einer gemischten Anlagestrategie aus Aktien, Obligationen und Liquidität kumuliert 30 Prozent Performance erzielte
und nun einen kurzfristigen Verlust von 10 Prozent hinnehmen muss, hat ja immer noch 20 Prozent vorwärts gemacht. Auf dem Sparkonto hätte man zwar nichts verloren, aber auch nichts gewonnen. Längerfristig orientierte Anlagelösungen mit einer gemischten Anlagestrategie aus Aktien, Obligationen und Liquidität bieten also den besten Schutz gegen Kursverluste – auch innerhalb einer Lösung der Säule 3a.

«Nur Anleger, die zu jedem Preis Kursverluste vermeiden möchten, sollten das Sparkonto in Erwägung ziehen», empfiehlt die Swiss Life. Risikofähigen Anlegern wird geraten, kurzfristig Kursverluste zu akzeptieren und in breit diversifizierte gemischte Fonds zu investieren, um eine attraktivere Rendite zu erzielen. Zu einer breiten Diversifikation der Anlagen rät auch Raiffeisen: «Staatsanleihen oder Sparkonti sind zwar sichere Anlagen, bringen aber wegen der Null- bzw. Negativzinsen einen realen Kaufkraftverlust. Wer langfristig Vermögen aufbauen will, kommt daher nicht um Investitionen in Sachwerte wie Aktien,  Immobilien oder Edelmetalle herum.

Soll ich jetzt meine Aktien verkaufen oder zukaufen?

«Behalten», rät die ZKB. Lasse es die Risikofähigkeit zu und werde eine längerer Anlagehorizont verfolgt, so könne man sogar etwas zukaufen. Wegen der weiterhin volatilen Lage sollte dies aber gestaffelt erfolgen und man sollte vor allem nie alle Eier in denselben Korb legen. «Einverstanden», sagt die Swiss Life: «Die Märkte haben bereits sehr viele negative Nachrichten vorweggenommen. Abhängig von der Risikofähigkeit eines Anlegers kann es also sinnvoll sein, die tieferen Aktienpreise zu nutzen, um den Aktienanteil wieder langsam an das Niveau vor Corona anzugleichen.» Für eine aggressivere Positionierung sei es aber noch zu früh.

«Anleger sollten in volatilen Zeiten Ruhe bewahren und an der langfristigen Anlagestrategie festhalten», ist das Credo der Raiffeisen-Experten. Aufgrund der starken Börsenkorrektur dürfte in vielen Portfolios die Aktienquote mittlerweile unter der langfristigen Zielquote liegen. Daher sollte ein gestaffeltes «Rebalancing» ins Auge gefasst werden. Den Fokus sollte man dabei auf eine hohe Qualität der Einzelanlagen legen. Unternehmen mit einer guten Marktstellung sowie soliden Bilanzen dürften gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.

Ist es ratsam, jetzt Gold zu kaufen und daheim zu bunkern?

Gold ist und bleibt in Krisenzeiten ein sicherer Hafen. «Doch im Gegensatz zu Obligationen, Aktien oder Immobilien generiert es keine Erträge», betont die Swiss Life: «Sein Preis hängt vorwiegend von der Erwartung der Märkte ab und kann stark schwanken.» Aktuell liege der Goldpreis nahe beim historischen Hoch. Wer jetzt einsteigt, kann kurzfristige Verluste also nicht ausschliessen. Gold wird von den Experten jedoch generell als Bestandteil einer Vermögensanlage empfohlen. Die Aufbewahrung in einem Banksafe sei dabei trotz Gebühren sicherlich die bessere Lösung. Alternativ könne man physisch hinterlegte ETFs in Betracht ziehen. Wesentlich volatiler als Gold, aber derzeit günstig bewertet, sind Goldminenaktien. «Als Beimischung zu einem bestehenden Portfolio macht Gold sicherlich Sinn», sekundiert die ZKB. Auch physisches Gold, wenn man bereit sei eine «Liquiditätsprämie » zu bezahlen. Finanzvehikel, welche den Goldpreis direkt abbilden und gar mit physischem Gold hinterlegt sind, seien zum Handeln besser geeignet und günstiger. Die ZKB hält im Moment eine taktische Übergewichtung der Goldposition in ihren Portfolios: «Denn Gold wird gefragt bleiben. Vom daheim Bunkern raten wir aus Sicherheitsgründen ab.» Zudem sei das Halten von physischem Gold bei sich zu Hause auch nicht gratis. Raiffeisen empfiehlt Gold als Beimischung in einem
diversifizierten Portfolio und zwar in der Grössenordnung von fünf Prozent des Depotwerts. An Stelle von physischem Gold seien aufgrund der besseren Liquidität und den tieferen Kosten physisch replizierte Gold ETF zu bevorzugen.

Ist es nun besser direkt oder indirekt in Immobilien zu investieren?

Wie Gold haben sich auch Immobilienanlagen in Krisen häufig als stabiler gezeigt als andere Anlage und haben sich vor allem als Langzeitinvestition bewährt. Die Swiss Life gibt zu bedenken, dass bei der direkten Haltung von Immobilien die Investitionssumme und der Verwaltungsaufwand erheblich grösser seien. Indirekte Investitionen könnten dagegen auch mit kleinen Summen gemacht werden und stellten eine bessere Diversifikation sicher. Die ZKB hält in ihren Portfolios nur indirekte Immobilienanlagen: «Alles andere würde den Liquiditätsbedingungen nicht genügen. Wir halten im Moment an unserer neutralen strategischen Immobilienquote fest und bauen sie gegenwärtig weder auf noch ab.» Positiver gestimmt für Immobilien sind die Raiffeisen-Experten: «Der Immobilienmarkt dürfte deutlich weniger in Mitleidenschaft gezogen werden als andere Bereiche der Wirtschaft. Am ehesten werden die kommerziellen Mieten unter Druck kommen. Viele Fonds und die grossen Immobiliengesellschaften sind aber gerade dort stark präsent, weshalb indirekte Investitionen in diese Anlagevehikel künftig weniger lukrativ sein dürften.» Direkt zu investieren sei daher eher empfehlenswert und dies vorzugsweise in Wohnimmobilien. Denn dieser Markt sei auch in Zeiten von Corona stabil. Dies gilt besonders für gut gelegene Objekte. Allerdings ist der Markt für Direktinvestitionen nur für sehr gut betuchte Investoren zugänglich.

Was waren die Auswirkungen am Hypothekarmarkt?

Die Hypotkekarzinsen waren in den letzten beiden Monaten sehr volatil, sind aber tendenziell gestiegen. Die laut der Hypothekarspezialistin Moneypark auffälligste Entwicklung: Bei den am Markt offerierten Hypothekarzinsen sind die Differenzen vom günstigsten zum teuersten Anbieter auf neue Spitzenwerte gestiegen. Die schon vor der Corona-Krise teureren Banken haben ihre Sätze demnach stärker angehoben als Versicherungen, Pensionskassen und Anlagestiftungen. Für Hypothekarnehmer heisst dies also, unbedingt Konkurrenzangebote einholen, dann vergleichen, vergleichen und hart verhandeln.

 

Wann ist der Spuck vorbei?

Auf eine Prognose wollen sich die Ökonomen der Finanzinstitute nicht einlassen. «Aber wir können aus der Vergangenheit Lehren ziehen», sagen die Swiss-Life-Experten: «Die Erfahrung der Spanischen Grippe von 1918 zeigt beispielsweise das grosse Risiko einer zweiten Welle, die erneute Lockdown-Massnahmen erforderlich machen könnte. Und aus der neueren Zeit weiss man, dass die Entwicklung von Impfstoffen auch im günstigen Fall mindestens 18 Monate braucht. Andererseits ist diesmal geld- und fiskalpolitisch viel rascher und beherzter eingeschritten worden, als während der Weltwirtschaftskrise von 1929 oder der Rezession von 2008. Wenn wir die Ausbreitung des Corona-Virus unter Kontrolle behalten können, dürfte die Wirtschaft bereits in der zweiten Jahreshälfte wieder an Fahrt zulegen.» «Ein Abstützen auf die Historie kann zu falschen Schlüssen verleiten. Eine Pandemie muss immer neu beurteilt werden», unterstreicht die ZKB. «Beobachtet man die Entwicklung in China, das dem Rest der Welt im Pandemieverlauf zeitlich voraus ist, kann man aber verwertbare Anhaltspunkte gewinnen.» Basierend auf den neuesten Erkenntnissen erwarten die Ökonomen der ZKB, dass ein Teil der Produktionsausfälle bereits in der zweiten Jahreshälfte 2020 aufgeholt werden kann. Die Konsumausfälle werden im laufenden Jahr hingegen nicht kompensiert werden können. Eine Rückkehr zur normalen Produktionsauslastung der Wirtschaft sei also nicht vor 2021 zu erwarten.

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