Die Elektrifizierten machen Boden gut

Unter dem Druck von Klimaveränderungen und der Verschärfung von CO2-Gesetzen sind Alternative Antriebe stärker in den Fokus gerückt. Nach mehreren Jahren des eher sanften Dahindümpelns ist nun europaweit ein deutlicher Anstieg feststellbar. Dabei haben die zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätze alle viel zu bieten.

VON MARTIN SCHATZMANN

Im Jahr 2018 wurden in Europa und in der Schweiz neue Rekorde bei der Neuzulassung von Autos mit Alternativantrieben verzeichnet. In der EU waren es knapp 1,11 Millionen Wagen und in der Schweiz knapp 21 600. Dabei liegen die Anteile am Gesamtverkauf in beiden Märkten mit gut sieben Prozent praktisch gleichauf. Die Hauptgründe für die starke Zunahme liegen einerseits in der wachsenden Akzeptanz der neuen Antriebssysteme und andererseits in einem immer breiteren Angebot. Doch trotz Zunahme bei den Plug-in-Hybriden und den Elektromobilen hat vor allem der herkömmliche Hybrid für den hohen Zuwachs gesorgt. Die Signale aus dem Salon Genf Anfang März lassen kein Ende des Aufwärtstrends absehen.

Der Prius gilt als der Inbegriff des Hybrid. Heute werden weit über die Hälfte aller Toyotas in der Schweiz mit Hybrid ausgeliefert.

Während der Hybridantrieb vor allem dank Toyota seit 1997 Verbreitung findet und sich über den Prius hinaus etabliert hat, liegt die Geburtsstunde des modernen Elektromobils im Jahr 2010. Natürlich gab es schon davor viele E-Mobil-Ansätze. Doch erst mit dem Nissan Leaf kam auch ein Stromer auf den Markt, der heutige Qualitäts- und Sicherheitsstandards erfüllte, welche längst bei einem Auto selbstverständlich sind. Der Plug-in-Hybrid, als Mischung aus Elektromobil und Hybrid, gesellte sich als letzter dazu.

Hybrid und Mild-Hybrid
Der Hybrid als «Oldie» unter den alternativen Antrieben wird heute vor allem von asiatischen Herstellern favorisiert. Die Handhabung ist wie bei einem normalen Auto. Motor starten, D eingelegen, fahren; und wenn der Tank leer ist, nachtanken. Die Elektronik regelt Benzin- und Elektromotor eigenständig, die Einflussnahme des Fahrers findet meist nur übers Gaspedal statt. Unter idealen Bedingungen fährt man kurze Strecken sogar elektrisch (1 bis 3 Kilometer), spart gegenüber einem vergleichbaren Wagen rund 15 bis 20 Prozent Benzin. Sportwagenhersteller nutzen die Technik vereinzelt auch als Leistungssteigerung.

Neben Toyota/Lexus bieten Hyundai und Kia Hybride an. Auch Honda ist neu wieder mit dabei und ab Herbst folgt Subaru mit ihrer ersten Hybridversion. Hingegen haben sich Europäer, wie BMW und Mercedes, zu Gunsten des Plug-in-Hybrid vom ursprünglichen System abgewandt. Hyundai, Kia und Toyota bieten hingegen beide Hybridsysteme an.

Noch ziemlich frisch ist die starke Ausbreitung des Mild-Hybrid, bei dem die Effizienzsteigerung bei kleinstem Aufwand im Zentrum steht. So werden Anlasser und Lichtmaschine zum sogenannten Starter-Generator verschmolzen. Dazu kommt eine sehr kompakte und leichte Batterie, weshalb der Mild-Hybrid sehr wenig Platz beansprucht. Natürlich ist auch der Effekt beim Anfahren und Beschleunigen kleiner, gleichwohl sind spürbare Verbrauchsreduktionen möglich. Beispielsweise Suzuki nutzt seinen Mild-Hybrid SHVS in Varianten der Modelle Ignis, Swift und Baleno (Aufpreis 1000 Franken) und erzielt dort mit Elektroboost und der Rückgewinnung kinetischer Energie eine Verbrauchsreduktion zwischen 0,5 und 0,9 l/100 km. Auch andere Hersteller, wie Audi oder Mercedes, bemühen jüngst vereinzelt den Starter-Generator-Mild-Hybrid mit ähnlichem Effekt.

Im Suzuki Swift kann ein Mild-Hybrid geordert werden. Mit dem System fährt man nicht rein elektrisch, der Verbrauch wird aber um einen halben Liter gesenkt.

Plug-in-Hybrid oder Elektro
Beim Plug-in als Kombination aus Elektromobil und normalem Hybrid fährt man 50 und mehr Kilometer lokal emissionsfrei und kann mit dem gleichen Wagen dank Verbrennungsmotor aber auch bis Gibraltar fahren. Doch was sich auf den ersten Blick als Idealfall darstellt, bleibt ein Kompromiss. Gegenüber einem normalen Hybrid hat der Plug-in eine grössere Batterie und einen leistungsfähigeren E-Motor im Stil eines vollwertigen Elektromobils an Bord, nur deshalb ist die längere elektrische Fahrt möglich. Das verursacht aber 200 bis 300 Kilogramm Mehrgewicht und meist Einbussen beim Platzangebot. Ökonomisch Sinn macht der Plug-in, wenn man mit ihm
elektrisch unterwegs ist, denn mit jedem Einsatz des Verbrennungsmotors schwindet der teuer erkaufte Vorteil des günstigen Strompreises. Zudem wächst die Ladeinfrastruktur ständig und die Technik der E-Mobile wird immer noch besser, so dass der Moment nicht mehr fern ist, an dem die Argumente zwischen Plug-in und reinem Elektro vor allem zu Gunsten von Elektro fallen dürften.

Schon heute kosten Plug-in und Elektro in der Anschaffung etwa gleich viel. Wer mit dem Stromer liebäugelt, muss ja nicht gleich bei Tesla oder Jaguar mit 80 000 Franken einsteigen. Kompaktwagen à la Nissan Leaf oder VW e-Golf stehen bei 40 000 Franken und weniger bereit, und mit den neusten Varianten sind echte 300 Kilometer Reichweite kein Problem mehr. Modelle wie der Opel Ampera-e und der Kia Kona Electric garantieren sogar 400 und mehr Kilometer Reichweite. Man fährt emissionsfrei und leise und die günstigen Strompreise gleichen über die Zeit die hohen Anschaffungskosten wieder aus. Vorbedingung beim E-Mobil ist jedoch der
Stromanschluss am eigenen Parkplatz. Das gilt übrigens auch beim Plug-in-Hybrid. Wasserstoff als Batteriealternative im E-Mobil ist zwar inzwischen auch erhältlich, steckt aber auch mangels Tankstellen noch in den Kinderschuhen.

Verkannter Saubermann Erdgas
In der ganzen Diskussion geht der Erdgasantrieb meist vergessen. In der Handhabung ist er praktisch gleich wie Benziner oder Diesel, halbiert aber gegenüber dem Benzinmotor die Stickoxide um die Hälfte und CO2 kommt um 25 Prozent tiefer zu stehen. Mit dem in der Schweiz weit verbreiteten Biogas wird die Umweltbilanz noch besser. Russ und andere Partikel entfallen praktisch ganz. Gasfahrzeuge werden heute von Audi, Fiat, Seat, Skoda und VW angeboten und sie sind preislich oft interessanter als Benzinmodelle, weshalb die verhaltene Nachfrage kopfschüttelnd bedauert werden muss.

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