Eine Herbstwanderung der speziellen Art: Zuerst führt sie auf dem Planetenweg bei Burgdorf in die kalte Einsamkeit des Universums und dann durch bunte Laubwälder zurück an den Ausgangspunkt.

Von Franz auf der Maur

Das Wahrzeichen von Burgdorf – Burdlef im Dialekt des Unteremmentals – ist das monumentale Schloss mit Berner Wappen auf einem Sandsteinfelsen über der Emme. Die Wehranlage, eine Gründung von Zähringerherzog Berchtold IV., entstand gleichzeitig mit dem Städtchen um 1175. Bevor die Herbstwanderung eine astronomische Wendung nimmt, gibt es unterwegs eine weitere historische Sehenswürdigkeit zu begutachten: die Lepra-Kapelle und das einstige Siechenhaus in der Lorraine jenseits des Flusses. Im Mittelalter befand sich hier vor den Stadtmauern das Quartier der Aussätzigen. Damals war die Lepra auch in der Schweiz verbreitet und gefürchtet. Wer von dieser unheilbaren ansteckenden Krankheit befallen war, musste die Nähe seiner Mitmenschen meiden. Immerhin erhielten die Aussätzigen Unterkunft, Verpflegung und Seelentrost, wovon die schmuck hergerichtete Behausung mit Kapelle zeugt. Beide Bauten, heute modernen Wohnblöcken unmittelbar benachbart, standen einst allein auf weiter Flur.

700 000 Kilometer pro Schritt
Die Teilnahme an der Expedition ins Weltall muss mit einem 220-Meter-Aufstieg in südöstlicher Richtung zu den Gisnauflühen und zum Gehöft Binzberg verdient werden. Früher hatten die Gisnauflühe einen schlechten Ruf, wohl wegen ihrer Nähe zur Leprastation. Manche Leute glaubten, in diesen Felsen befinde sich ein Tor zur Hölle. Jeweils zur G

eisterstunde nahe sich der Teufel mit einer Schar armer Seelen. Auf Zuruf öffne sich der Eingang, Feuerschein flackere, Jammergeschrei ertöne, dann sei es wieder dunkel und still …

Von der Unterwelt zum Weltall. Beim Waldrand südwestlich des Binzberg-Hofes leuchtet am Anfang des Planetenwegs golden das Modell unserer Sonne. Nach wenigen Hundert Metern schon stehen ihre nächsten Begleiter am Wegrand Richtung Kaltacker: die Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars.

Der durch die Astronomische Gesellschaft Burgdorf verdienterweise eingerichtete Lehrpfad bildet unser Sonnensystem im Massstab 1 : 1 Milliarde ab. So kommen wir denn, aufs Universum umgerechnet, mit jedem Schritt 700 000 Kilometer voran. Das ist rund die doppelte Entfernung von der Erde zum Mond.

War Gotthelf in Guetisberg?
Jetzt, da die grösste Steigung des Tages aus dem Tal der Emme hinauf in das Hügelland bewältigt ist, geht es munter voran über die lang gezogene Egg Richtung Kaltacker mit seinem Landgasthof. Unterwegs werden, nun mit immer grösserem Abstand, die Planetenmodelle von Jupiter, Saturn (mit Ringsystem) und Uranus passiert. Die auf 724 m ü. M. kulminierende Egg bildet den westlichen Abschluss des Emmentals gegen das Mittelland. Entsprechend umfassend wirkt die Aussicht bis zur Jurakette am Horizont; gut zu erkennen ist etwa der Weissenstein mit seinem Kurhaus über Solothurn.

Gegen Osten senkt sich das Gelände von der Egg ins Tal von Heimiswil, das den typischen Aspekt landwirtschaftlich genutzter Hügelzonen im Alpenvorland zeigt: ein Mosaik von Feldern, Weiden und Wäldern, ebenso heimelig wie verwirrlich.

Beim Schulhaus von Kaltacker (wovor wohl die monströse Sirenenanlage auf dem Dach warnen mag?) wendet sich der Planetenweg nordwärts gegen den Weiler Guetisberg. Welch ein

Name, er könnte aus einem Roman von Jeremias Gotthelf stammen. Tatsächlich wirkte der wortgewaltige Dichterpfarrer unweit von hier, in Lützelflüh. Als eifriger Wanderer wird er auf einem seiner Fussmärsche wohl auch in Guetisberg vorbeigekommen sein.

Wanderweg unter Starkstrom

Die Fortsetzung des Planetenwegs – unsere Variante – führt zuerst ins stille Wiesental des Chänerech und dann über einen weiteren Hügelzug nach Wynigen. Beim Gehöft Rutschweid steht der Neptun. Hier gibt es auch eine Selbstbedienungs- Verpflegungsstätte, das Neptun-Beizli, geführt von einer therapeutischen Wohngemeinschaft. Pluto kurz vor Wynigen ist dann der letzte Himmelskörper auf dem astronomischen Lehrpfad.

Unsere Hauptroute zurück nach Burgdorf senkt sich von Guetisberg nach Bickigen, und jetzt wird auch klar, warum die Wanderlandschaft so von Starkstromleitungen durchzogen ist. In Bickigen gleich neben der Bahnlinie befindet sich nämlich eine grosse Transformerstation der BKW. Die letzten anderthalb Stunden der durchgehend markierten Herbstwanderung führen dann in allgemein südlicher Richtung auf weite Strecken durch Wald, der jetzt in bunten Farben leuchtet.

Route
Burgdorf Bahnhof (533 m)—Leprakapelle und Siechenhaus in der Lorraine (541 m)—Binzberg/ Start Planetenweg (667 m)—Ober Rügen (712 m)— Egg (724 m)—Kaltacker-Schulhaus 708 m)—Guetisberg (697 m)—Bickigen (537 m)—Weier (522 m)— Düttisberghöchi (634 m)—Burgdorf Bahnhof (533 m).

Wanderzeit
4—5 Stunden mit je 450 Metern Steigung und Gefälle.

Variante
In Guetisberg weiter dem Planetenweg nach Wynigen folgen, etwa eine Wanderstunde weniger.

Öffentlicher Verkehr
Burgdorf liegt an der SBB-Linie Bern—Burgdorf—Wynigen—Olten und an der BLS-Linie Solothurn—Burgdorf—Konolfingen—Thun.

Karten
Landeskarte der Schweiz 1 : 25 000, Blatt 1147 «Burgdorf». Landeskarte 1 : 50 000, Blatt 233 «Solothurn». Wanderkarte 1 : 50 000, Blatt 233 T «Solothurn».