Vor ein paar Jahren hätte ich meine Schritte gezielt zum Kiosk an der Ecke gelenkt, um eine Zeitung oder Zeitschrift zu kaufen. Seit ich News aber nur noch gratis im Internet lese, sehe ich keinen Grund mehr, mich vom faltigen Griesgram aus seinem verlotterten Verschlag heraus anblaffen zu lassen.

Üblicherweise jedenfalls. Doch unlängst zogen mich die prallen Lettern einer Zahl magnetisch an: 218. Ja, 218 Millionen Franken warteten im grossen Jackpot darauf, von mir gewonnen zu werden.

Während ich in kontemplativer Meditation meine Kreuze setzte, keimten Vorstellungen auf, was ich mit einer fünftel Milliarde anstellen könnte. Eine Stiftung gründen, zum Beispiel, und Bedürftigen helfen. Oder all meinen Freunden – und davon würde ich nach Bekanntwerden meines Gewinns sehr viele haben – ihren Traumurlaub spendieren. Ich könnte in Aktien investieren und mein Vermögen vermehren. All das schien mir jedoch irgendwie zu spiessig, zu bünzlig, zu schweizerisch.

Doch dann traf mich die ultimative Eingebung wie ein Blitz: Ich würde mir einen Fussballer kaufen. Und zwar nicht irgendeinen, sondern Cristiano Ronaldo höchstpersönlich. Wie ich im Internet las, soll der für 100 Millionen Euro zu haben sein; mir bliebe nach dem Transfer also noch fast die Hälfte meines Gewinns. Im Garten liesse ich ein Tor errichten und den Rasen von einem Spezialisten pflegen. Ich lüde Freunde und Bekannte zu rauschenden Festen ein, bei denen als krönender Höhepunkt mein Ronaldo zum Amüsement aller ein paar Traumtore schösse. Auf dem Trikot stünden sein Name und eine Nummer: 218.

Bald zählte ich mit meinem Garten-Ronaldo zu lokaler Prominenz. Mein Nachbar könnte sein Heer von Gartenzwergen und den Tonengel-Schwarm einpacken. Welch Triumph! Dann müsste ich den Ronaldo natürlich angemessen entlohnen. Netto kriegt er bei Real Madrid laut Presseberichten 23,5 Millionen Euro. Was das wohl Brutto heisst? Mit AHV-Beiträgen und zweiter Säule? 35 Millionen Franken? Nachdenklich begann ich zu kalkulieren: Allein die Transfersumme und die ersten drei Jahresgehälter würden meine 218 Millionen auf Null schmelzen lassen … die Steuern noch gar nicht mitgerechnet. Und das wären wohl Dutzende Millionen. Gewönne ich also die fünftel Milliarde, stünde ich schon bald mit weniger da als heute. 218 Millionen wären schlicht zu wenig zum Leben.

Zermürbt zerknüllte ich den Tippschein und warf ihn in den Mülleimer. «Willst du nicht den Jackpot knacken?», fragte der Kioskier. Ich schüttelte vehement den Kopf, machte kehrt und giftete: «Such dir ein anderes Opfer, von dir lasse ich mich nicht in die Schuldenfalle treiben!»

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