Vera liebte Hunde. Sie mochte alle Tiere. Aber die Hunde waren ihr am liebsten. Mit vier Jahren schon wünschte sie sich einen Bernhardiner. Neben dem Familienchalet war ein Bauernhof. Dort knuddelte Vera ihren ersten Bernhardiner. Alfi liess das Mädchen gar auf seinem Rücken reiten. Klar, dass Vera einen Bernhardiner haben musste. Sie würde ihn auch «Alfi» rufen.

Mit 15 hatte sie immer noch keinen. Ihre Umgebung zückte die Argumente contra canem wie Jokerkarten aus den Ärmeln:

«IGITT! Hunde stinken…» (Grossmutter) – «Ich bin allergisch gegen Hundehaare…» (Tante Irma) – «Was willst du mit einem Hund – du hast doch mich, Veralein!» (der Vater als klares Alfa-Heimtier)

Und die Mutter jammerte: «…und wer muss dann mit so einem Kalb auf die Hundeanlage?! Natürlich ich. Nein danke. Und überhaupt: Wo bekommen wir einen Bernhardiner während unserer Ferienreise unter? So einen Riesenköter will doch keiner in Pension…»

«Mein Alfi kommt mit nach Catolica», quengelte Vera. Sie machte sich stark für einen Bernhardiner, der nur in ihrer Fantasie herumwedelte. Veras Schulleistungen waren alarmierend – die Matur in Frage gestellt. «Wenn du’s schaffst, bekommst du einen Hund!», versprachen die Alten.

Sie schaffte es. Und bekam einen Hamster («du musst uns auch verstehen, Vera!»). Der Hamster ging bald einmal ein – und Vera auf die Uni. In der Mensa lernte sie Paddy kennen. «Wir ziehen zusammen. Und schauen, dass wir bald zu dritt sind…» sülzte der.

«Jaaa», jubelte sie, «in Frutigen haben sie eben einen neuen Wurf…» Aber auch Paddy konnte es nicht mit Hunden: «Die haben Flöhe… und dann immer die unfeine Sache mit dem Hundebeutelchen…!».

Sie heiratete ihn trotzdem. Verzichtete auf das Hundeglück. Und das Schicksal verzichtete darauf, ihnen Nachwuchs zu schenken. Vermutlich dachte es: Wer keine Hunde mag, liebt auch keine Kinder. Die Ehe war mies. An einsamen Tagen, wo Paddy sich mit «Überstunden» zum Nachtessen entschuldigte (um mit seinem Kätzchen zu spielen – wie Vera herausgefunden hatte), setzte sie sich auf die Bank am Fluss. Die Hundebesitzer führten hier ihre Vierbeiner spazieren. Als ein Junky mit einem Bernhardiner aufkreuzte, war es für Vera Liebe auf den ersten Blick.

«100 Hämmer…», sagte der Junky, «das ist er wert. Die Leute sind netter zu dir, wenn du mit Hund aufkreuzest »! Das war ein Deal! Ihr Mann drohte das Haus zu verlassen. Wenn Paddy in Alfis Nähe kam, liess der Bernhardiner ein drohendes Knurren los.

«Alfi!», tadelte Vera. Und liebte ihren Hund dafür, dass er Paddy an die Eier ging. Eines späten Abends, als Paddy schon ziemlich geschwächt von den Überstunden mit seiner Katze nach Hause kam und sich eben eine Flasche Wein aus dem Keller holen wollte, sass Alfi vor der Tür. Der Bernhardiner hatte einen Golfschläger im Maul. Und hechelte aufreizend.

«DU VERFLUCHTER SAUHUND!», legte Paddy los. Es war sein Lieblingsschläger. Langsam ging er auf den Hund zu. Alfi zog die Lefzen hoch. Man sah nur noch Zähne. Und den Schläger dazwischen.

«AUS! AUS! GIB MIR SOFORT MEINEN SCHLÄGER», zischte das Alfa-Männchen. Der Bernhardiner schaute ihn knurrend, doch regungslos an – jeder Tierpsychologe hätte in dem Blick ein zynisches Lächeln interpretiert. Paddy ergriff den Schlegel – immerhin war es derjenige, mit dem er beim letzten Golfspiel sein Handycap verbessern konnte. Dann hörte man Gepolter. Ein Brüllen. Und schon war es totenstill.

TOTENSTILLE – ist das richtige Wort. Als die Ehefrau herbeigerannt kam, lag Paddy mit gebrochenem Genick am Treppenende auf dem Kellerboden. Der Bernhardiner sass 20 Stufen höher. Und wedelte. Er hatte den Golfschläger nun neben sich abgelegt. «Guter Hund», streichelte Vera den Kopf des Hundes. Das Schicksal spielt dem Menschen manchmal tierisch mit…