1e-Pläne mit hohem Aktienanteil wurden in den vergangenen Jahren beliebter. Jetzt, da die liquiditätsgetriebene Hausse am Aktienmarkt versiegt, stellt sich die Frage, ob die Anlagestrategie geändert werden soll.

Autor: Fabio Preite, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung PensExpert AG

Es waren schmerzhafte Monate an den Finanzmärkten im laufenden Jahr. Breite Aktienindizes wie der Swiss Market Index fielen in der Spitze rund 20% und mehr. Besonders heftig erwischte es den erfolgsverwöhnten amerikanischen Technologieindex Nasdaq. Im Sommer lösten sich die Kurse wieder etwas von den Tiefständen, doch die Erholung hielt nicht an. Es ist alles andere als sicher, ob es das war mit der Korrektur. Viele Auguren prognostizieren weitere deutliche Kursverluste in den kommenden Monaten.

Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich auch 1e-Sparerinnen und -Sparer fragen, ob es nun an der Zeit sei, die in der individuellen Vorsorge verfolgte Anlagestrategie neu zu definieren. Was Risikofähigkeit wirklich bedeutet, zeigt sich meist erst in Börsenbaissen. Schnell geht vergessen, aus welchen Gründen die Anlagestrategie ursprünglich gewählt wurde. Plötzlich zählt nur noch Sicherheit. Buchverluste werden wie realisierte Verluste betrachtet und aus einer Langfriststrategie wird ein «Hin und Her macht Taschen leer»-Handeln.

Baisse testet Risikofähigkeit

Selbstverständlich kann die Anlagestrategie in einem 1e-Plan (siehe Box) nach Wunsch angepasst werden. Bei einigen Anbietern ist das täglich möglich, bei anderen einmal im Monat. Dessen ungeachtet fallen bei jeder Umschichtung Gebühren an – für den Verkauf, den Kauf und die Verwahrung. Das hängt von den jeweiligen Produkten und den Anbietern ab. In der Praxis ändern oft jene Versicherte die Anlagestrategie, die über besonders hohe Vorsorgevermögen verfügen. Psychologisch ist das nachvollziehbar. Ein Minus von mehreren hunderttausend Franken schmerzt mehr als eines von zehntausend – selbst wenn das Minus in Prozentpunkten ausgedrückt genau gleich gross ist.

Ob die Anpassung der Anlagestrategie wegen einer Korrektur an den Finanzmärkten langfristig renditeträchtiger ist, als das Beibehalten der ursprünglichen, gilt es zu prüfen. Denn das Bemühen, die Entwicklung an den Finanzmärkten «timen» zu wollen, ist selten erfolgreich. Studien zeigen, dass wer zwischen 2001 und 2021 die zehn besten Börsentage im Swiss Market Index verpasst hat, anstelle von einem Gewinn von 194% nur ein Plus von 60% auf den zu Beginn investierten Betrag erzielt hat. Wer die besten 30 Tage verpasst hat, erlitt einen Verlust von 34%.

In Aktien investiert zu sein, war in der historischen Betrachtung lohnenswerter, als auf Obligationen zu setzen. Das scheint vielen 1e-Versicherten nicht bewusst zu sein, denn nur 8% der Kundenportfolios der Sammelstiftung PensFlex weisen einen Aktienanteil von 45% und mehr auf. Sehr wahrscheinlich haben sich einige dieser besonders risikofähigen Versicherten überlegt, ob es nicht doch besser gewesen wäre, wenn sie zumindest im ersten Halbjahr 2022 auf eine defensivere Strategie mit einem geringeren Aktienanteil gesetzt hätten.

Der Blick auf die Kursentwicklungen von Anlagestrategien mit einem Aktienanteil von 25 und weniger Prozent ist indes ernüchternd. Viele dieser vermeintlich risikoarmen Strategien haben in den ersten drei Quartalen 2022 deutliche Kursverluste eingefahren. Mehr als 10% waren es bei den meisten BVG10-Strategien, teils betrug das Minus sogar rund 14% und bei den BVG25-Strategien waren es mehr als 11 bis beinahe 16%. Die Verluste waren somit ähnlich hoch wie bei den Strategien mit Aktienanteilen von 65 bis 85%. Im Durchschnitt türmten sich dort Verluste in Höhe von rund 17,5% auf. Die defensiven Strategien haben in den Vorjahren allerdings nicht annährend die Renditen geliefert wie diejenigen mit sehr hohen Aktienanteilen.

Risiko wird belohnt

Es könnte also eher dahingehend argumentiert werden, dass es sich lohnen kann, aus einer defensiven Strategie in eine mit mittleren oder hohem Risiko zu wechseln. Zumindest dann, wenn der Anlagehorizont der versicherten Person noch viele Jahre beträgt und die erlittenen Verluste wieder wettgemacht werden sollen. Das eingegangene Risiko bei Anlagestrategien mit hohen und sehr hohen Aktienanteilen wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten angemessen entschädigt.

Anders sieht es bei Versicherten aus, die kurz vor der Pensionierung stehen und ein hohes Vorsorgevermögen ihr Eigen nennen. Vereinfacht gesagt können diese für die wenigen verbleibenden Jahre das Vermögen aus Anlagestrategien mit hohem Aktienanteil abziehen und beispielsweise in einen Hypothekenfonds einzahlen. So erhalten sie einen fixen Zins und tragen beinahe kein Anlagerisiko, denn das Ausfallrisiko in Hypothekenpools ist dank sehr tiefer Belehnungswerte überschaubar.

Die grosse Flexibilität bei der Wahl von Anlagestrategien ist einer der wichtigsten Vorteile von 1e-Lösungen. Und das Anlageuniversum wird immer grösser. Als Beimischung – maximal 5% des Vorsorgevermögens – kann mittlerweile auch in Private Equity und in Kryptowährungen investiert werden. Eine weitere Besonderheit ist, dass es einzelne Depotbanken ermöglichen, im Rahmen eines 1e-Vorsorgeplans physisches Gold zu kaufen.

 

«Das sind 1e-Pläne»
Benannt nach dem Artikel 1e in der beruflichen Vorsorge (BVV2) bieten 1e-Pläne die Möglichkeit, Vorsorgeguthaben ab einer Lohnhöhe von mehr als 129’060 Franken zu versichern. Die Arbeitnehmenden wählen dabei eine ihrem Risikoprofil entsprechende Anlagestrategie aus. Beim Eintritt in die Pension erhalten die Versicherten den gesamten Anlageertrag gutgeschrieben. Sie tragen allerdings auch das Verlustrisiko. Eine Verrentung ist nicht möglich.