Dieser Sommer wird unsere Reisegewohnheiten erst einmal auf den Kopf stellen — Ferien in der Schweiz, wenn möglich mit Social Distancing, doch nicht ohne das gewisse Etwas. Hier ein Vorschlag, der sich im Auto, wie unserem sportlichen Ford Focus ST, besonders gut erschliesst und uns in die hinterste Ecke der Schweiz nach Le Loclebringt.

VON MARTIN SCHATZMANN

Le Locle: wo Untergrund, Uhrmacher und wilde Natur locken

An Grenzen gehen mag aktuell eher als Leichtsinn denn als mutiges Voranschreiten betrachtet werden. Doch wer sich vorsichtig getraut, tut dies genau in Le Locle und lernt ein ungemein interessantes und abwechslungsreiches Stück Schweiz kennen. Zwischen La Chaux-de-Fonds und der Grenze zu Frankreich wohnen gut 10 000 Menschen in der Senke des Flüsschens Le Bied, in einer Region, die seit 2009 auch zum Weltkulturerbe der UNESCO gezählt wird.

Die ehemalige Post von Le Locle ist aufwändig
restauriert und trägt die Zeichen der Bodenabsenkung mit schrägen Fenstern.

Wer die vielleicht lange Anreise fürchtet, sollte schon den Weg zum Ziel machen und spätestens bei Biel die Autobahn verlassen und in den Jura vordringen. Hier entschädigen Täler, Hügel und sanft wallende Weiden mit ihrem speziellen Charme für die vorangegangenen Mittelland-Kilometer, bringen Entspannung und eine erste wohltuende Gewöhnung an die Region, die ein schönes Gegenstück zu den bekannterweise gefälligen Voralpen bildet. Wer gerne Auto fährt, wird sich der Verlockung jener kurvigen Strecken nicht verwehren können, auf denen man sich über den hintereinander gereihten Hügelzügen von Krete zu Krete hangelt und auf jedem Übergang mit neuer Aussicht belohnt wird, die weit nach Frankreich oder bis an die Alpen reichen können. Nicht umsonst heisst der Pass zwischen Neuenburg und La Chaux-de-Fonds Vue des Alpes …

 

 

Das sorgfältig renovierte und grosszügig dimensionierte Guesthouse Le Locle ist der ideale Ausgangspunkt für die Entdeckung der grenznahen Region im Neuenburger Jura.

Gründe für die Reise nach Le Locle gibt es viele und sie gehen weit über die abwechslungsreiche Anreise und die «grenzgängige» Lage hinaus. Dabei spielt das Wasser des in der Stadt heute kaum sichtbaren Le Bied eine zentrale Rolle. Es wurde schon vor Jahrhunderten genutzt und half, dass die Region einer der frühen Orte der Industrialisierung in der Schweiz wurde. Le Locle ist beispielsweise 1890 eine der ersten Städte, die eine elektrische Strassenbeleuchtung besitzt. Zudem zeigt sich die frühe Industrialisierung heute in einer ausgedehnten Uhren und Medizinaltechnik-Industrie. Speziell Erwähnung verdient dabei die 1865 gegründete Uhrenmarke Zenith, die jeweils freitags einer kleinen Gruppe von Besuchern einen tiefen Blick hinter die Kulissen gewährt, etwas, was sonst in der Uhrenindustrie kaum vorstellbar ist. Obwohl Le Bied spärlich sichtbar ist, wirkt sich das Gewässer deutlich auf die Optik des Ortes aus. Die Häuser in der Talsohle sind wegen des weichen Untergrunds auf Pfählen gebaut, was solange gut ging, bis man zwischen 1900 und den 1970er-Jahren verschiedene Gewässerkorrekturen vornahm, um die regelmässig aufgetretenen Überschwemmungen zu minimieren. Durch das Absenken des Wassers begannen die Pfähle zu verfaulen und die Häuser fingen an, sich in alle Richtungen zu neigen.

Daran hat Le Locle noch heute zu knabbern … Am untersten Ende des Tals, wo der Col-des-Roches durch die Felsen bricht, fliesst Le Bied durch ein Grottensystem in den Doubs. Solche Grotten hatten sich die Menschen im Tal schon früh mit unterirdischen Mühlen zunutze gemacht. Heute existiert nur noch jene Mühle am Col-des-Roches, sie ist ein Museum, das in die Tiefen der Grotte führt und ein beeindruckendes Zeugnis der beschwerlichen Zeit der frühen Industrialisierung ist.

Guesthouse Le Locle

Das von 1844 stammende Haus hatte Regula Schiess vor acht Jahren gekauft und mit ihrem Mann aufwändig und mit originalen Materialien restauriert. Dadurch ist ein kleines Bijou entstanden, mit acht Studios und zwei grossen Apartments. Es ist seit 2016 offen und verfügt seit Anfang Jahr zudem über ein eigenes Bistro.

www.guesthouse-lelocle.ch

 

Als Tagesausflug dürfte die Reise nach Le Locle nur Hardcore-Autofahrern Spass machen. Wer bleibt, findet eine kleine, feine Hotel-Kultur, die mit dem Guesthouse Le Locle, dem Maison Dubois und dem Hotel Fleur de Lis selbst das deutlich grössere La Chaux-de-Fonds locker in den Schatten stellt. Alle drei Häuser sind sorgfältig renoviert und werden mit viel Engagement geführt. Wie Regula Schiess vom Guesthouse Le Locle (siehe oben) setzen sich die kleinen Hotels engagiert für ihre Region ein und es lohnt sich, sich bei den Geranten auch Rat für die Ausflüge zu holen: «Getrauen Sie sich!», rät Regula ihren Gästen.

Highlights von Le Locle sind das eigene Uhrenmuseum und das engagiert kuratierte Kunstmuseum. Zudem ist Le Locle ein echtes Wanderparadies und lädt mit dem Lac des Brenets, dem Saut-du-Doubs und dem nahen Creux du Van zu ausgedehntem Entdecken ein; um nur einige zu nennen. Mit seiner Lage auf über 920 m ü. M. ist das Städtchen fast schon ein Höhenkurort und im Winter verwandelt sich die Region in eine veritable Märchenlandschaft. Vor allem im Winter erlaubt die urtümlich belassene Natur, dass man viele Wildtiere beobachten kann, darunter auch Luchse.

Titelfoto:
Von Andreas Faessler – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0