Wir sind bei Heinz und Vreni eingeladen. Die beiden sind wahrscheinlich die besten Gastgeber der westlichen Hemisphäre. Bei ihnen wird nicht nur gepflegt verpflegt, sondern richtig stilvoll geschlemmt.

Vreni trägt die Vorspeise auf. «Eine Auswahl von Antipasti. Ich kaufe sie jeweils beim Italiener auf dem Wochenmarkt. Er bereitet sie stets frisch nach einem Rezept seiner Grossmutter zu. Einfach köstlich!», schwärmt sie, und wenn der Geschmack hält, was das Aussehen verspricht, wird dieses Prädikat noch untertrieben sein. «Dazu ein leichter Weisswein aus der Veneto-Gegend», empfiehlt Heinz mit einem Funkeln in den Augen. Mit geübter Hand schenkt er ein. «Der Spanier in der Stadt ist ein echter Geheimtipp. Er konzentriert sich auf önologische Raritäten aus Italien, Frankreich, Spanien und Portugal», verrät der Hausherr.

Der Reigen der Gaumenfreuden dreht sich beim Hauptgang weiter. Fürs Fleisch zeichnet Heinz verantwortlich: «Ein Rinderfilet aus Argentinien, gut abgehangen, scharf angebraten, dann niedertemperaturgegart. Eine butterzarte Geschmacksexplosion!» Stimmt. Vreni macht uns mit den Beilagen vertraut: «Babykartoffeln aus dem Ofen, mit einem Hauch von Rosmarin. Frische Ernte aus Israel. Dazu knackiger grüner Spargel.» «Spargel um diese Jahreszeit?», frage ich naiv. «Aus Uruguay.» Ja, Vreni kennt sämtliche Provenienzen ihrer Delikatessen. «Damit das Fleisch nicht an Heimweh leiden muss, gibt’s als Begleiter einen kräftigen Argentinier. Malbec», erklärt Heinz, füllt die Gläser und wünscht: «Guten Appetit!»

Den haben wir. Und auch ein angeregtes Gespräch. Plötzlich hören wir Geräusche aus der oberen Etage. «Habt ihr Hausgeister oder neue Nachbarn?», frage ich. «Zweiteres», klagt Vreni knapp und schüttelt den Kopf. «Ein Ausländer», jammert sie, «Deutscher!» Und Heinz ergänzt abschätzig: «Aus Berlin …» Ich hole tief Luft, unterlasse es dann aber, mich auf eine Migrationsdiskussion einzulassen. Um den Rest des Abends den Mund halten zu können, gebe ich mir aber tüchtig die Kante – mit dem Argentinier!

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