Es mag ja makaber sein in diesen turbulenten Zeiten, aber mit dem Thema Tod kann man es halten wie man will, Fakt ist, der Tod gehört zum Leben und betrifft uns alle so oder so irgendwann. Corona hin oder her. Man kann dem Tod panisch oder schwermütig begegnen, es gibt aber auch Kulturen, die sich damit wesentlich leichter tun. Milena Moser kennt so eine(n).

VON DÖRTE WELTI

Das schöne Leben der Toten steht als Titel auf dem Cover von Milenas Mosers letztem neuen Buch. Und dazu grinst einem noch unverfroren ein kunterbunter Totenschädel entgegen. Nichts für schwache Nerven? Wer die Schweizer Erfolgsautorin ein wenig kennt, weiss, dass sie seit Jahren beinahe jeden Schritt ihres Lebens hat irgendwie Buch werden lassen, und so ist auch dieses eine Lebensphasenerzählung. Eine intensive und sehr plastische, dazu kann man ihr auf den sozialen Medien beim Leben zuschauen, kann ihr folgen, kann Kolumnen von ihr in grossen Publikumszeitschriften lesen und kann bei ihr in die Schreibwerkstatt gehen, um zu lernen, wie man selbst die eigenen Gedanken zu Papier bringt (hier in der Schweiz, wenn sie gerade auf Lese- und Kurstour ist, oder bei ihr in ihrer derzeitigen Wahlheimat USA). Jetzt also der Tod?

Fans haben Milena Moser spätestens seit 1991 auf Die Putzfraueninsel (Mallorca) begleitet, ihr durch die 30er-Jahre als Artischockenherz (1999) gefolgt und später dann beim Schlampenyoga (2006) zugeschaut. Man wurde Zeuge romantisch-chaotischer Findungsphasen mit Flowers in your hair (2008), sie schreibt sogar eine Gebrauchsanweisung für Zürich (2015), wie wenn sie sich doch nicht so ganz von der Schweiz trennen kann, nur um irgendwann dann zu verkünden: Das Glück sieht immer anders aus (2017) und fürs erste Hinter diesen blauen Bergen (2017) in Santa Fe, New Mexico, landet. Irgendwo auf diesem Weg lernt Milena Moser – inzwischen eher als Singlefrau unterwegs mit mehr oder weniger erwachsenen Söhnen – Victor-Mario Zaballa (Auch auf Facebook zu finden) kennen, einen Mexikanischen Künstler. Jeder Widerstand ist zwecklos, eine besondere Liebe bahnt sich an. Aber: Der Herzbube ist krank. Was ihn nicht daran hindert, eine unglaubliche Schaffenskraft an den Tag zu legen, besonders dann, wenn es auf den 2. November zugeht, den «Dia de los Muertos», den Tag der Toten für die Mexikaner. In Mexiko wächst man mit einer völlig anderen Sichtweise auf den Tod auf, als wir Europäer das kennen. «Wenn Du tot bist, kannst Du alles machen», erklärt Milena Moser die mexikanische Kultur, «dann hast Du nach ihrer Vorstellung die beste Zeit Deines Lebens.» Das habe etwas Tröstliches und sei so ganz anders, wie unsere Haltung gegenüber dem Tod und vor allem auch den Trauernden. «Unsere Haltung ist inadäquat» findet die Verliebte, «Wir kennen nur die Stille, viele Trauernde sind alleine, man traut sich nicht, sie anzusprechen. Wir haben in dem Punkt keine Kultur, kennen keinen Umgang mit dem Tod.»

Milena Moser © Victor-Mario Zaballa

Milena Moser © Victor-Mario Zaballa

Das Buch ist der Versuch einer Annäherung an diese fremde Kultur und ganz sicher auch Milena Mosers beste Möglichkeit, mit der Situation umzugehen, dass Victor-Mario Zaballa jederzeit aufgrund seiner zahlreichen Krankheiten einfach so sterben kann. Er sieht seinem Ende ohne Furcht entgegen, denn er weiss: Den Toten geht es blendend. Wir können das Buch lesen und mitfühlen und versuchen zu verstehen und finden, ja, ist ja eigentlich auch keine schlechte Idee, warum immer alles so furchtbar schwermütig und dunkel sehen. Ob es im Fall tatsächlich hilft, wissen wir nicht, es ist nochmal etwas anderes, wenn man solche Gebräuche mit der Muttermilch aufgesogen hat und sie selbstverständlich sind. Was auf jeden Fall bleibt beim Lesen dieses wirklich fröhlichen, ehrlichen, offenen, schonungslos die Gefühlswelt darlegenden Buch, vor allem, wenn man schon sehr viel in der eigenen Umgebung mit dem Tod konfrontiert wurde, ist: Besser so. Lieber kunterbunt und fröhlich als düster und griesgrämig. Prost!

 

Milena Moser
Das schöne Leben der Toten
Kein & Aber ISBN 978-3-0369-5818-7