Es war eine gute Ehe.

Die alltäglichen Ermahnungen wie „“Zieh’ den Krawattenknopf gerade, Rolf“ oder „zu viel Knoblauch im Salat, Helga!“ gaben dem Ganzen einen soliden, leicht langweiligen Rahmen. Sie hatten die silberne Hochzeit knapp hinter sich.

Dann kam die Krise. Vermutlich hing alles mit der „Abänderung“ zusammen.

„Soll mir keiner kommen, Männer hätten so etwas nicht!“ – giftelte Helga bei ihren Freundinnen. „Plötzlich trägt er das Mützchen falsch herum. Und träumt von einer Harley-Davidson …“

„So lange das der einzige heisse Traum bleibt… “ unkten die Frauen.

Helga und Rolf führten das, was man in aufgeklärten Kreisen eine „offene Beziehung“ nannte.

„Wir grasen schon mal jenseits vom Hag!“, grinste Rolf beim Fitnesstraining. „Aber wir kommunizieren das untereinander. Eine offene Beziehung basiert auf EHRLICHKEIT!“.

Nun ja – nicht immer.

Als man bei Helga eine harmlose (gottlob!) Ziste in der Brust wegoperieren musste, nahm sie beide Herzen in die Hände (wörtlich) . Und fragte den Arzt, ob er am Abgeschlafften nicht gleichzeitig  ein paar Korrekturen anbringen könne. Natürlich verschwieg sie Rolf den zusätzlichen Eingriff. Und der griff dann ohne grosses Hinterfragen zu.

Mit ihren frischen Brüsten fühlte sich Helga wieder jung. Begehrt. Und „ich habe ein Date mit Max“, servierte sie Rolf die brandheisse News zum eisgekühlten Whisky.

Gut.  Max war schwul wie die Morgenröte. Aber das musste Rolf ja nicht wissen.

Der kaufte sich zum Trost die Harley-Davidson. Trug am Wochenende einen Totenkopf-Ring. Und jagte die Pässe rauf und runter. „Midlife-Crisis“ gab Helga den neusten Tatsachenbericht ihrer „Mädchenrunde“ durch. Sie erkundigte sich gleichzeitig, ob eine der Frauen mit dem Umpolen von schwulen Männern Erfahrungen habe. „Lass dir einen Schnurrbart wachsen!“, kicherten die.

Helga schnitt die langen Haare kurz. Und wechselte von Chanel auf Jeans. Sie bedauerte nun, dass ihr Busen etwas zu prall gefüllt war.

Bei einem Glas Wein eröffnete Rolf ihr, er brauche eine Pause. Eine Aus-Zeit.

Das Wort „AUS-ZEIT“ gab Helga einen Stich ins frisch gestylte Herz.

Sie wusste allerdings, dass laute Szenen der Anfang vom stillen Ende waren. Also atmete sie durch. Lächelte, als hätte er ihr eröffnet, künftig den Kaffee ohne Zucker zu trinken. Und:  „Ok. Ich verstehe das. Wenn Du willst, ziehe ich zu Max…“

Er nahm ihre Hand: „Ich bin froh, dass wir so offen miteinander reden können, Helga…“

Dann streckte er ihr einen Zettel mit der Adresse einer gewissen Eva zu. Er brauche jetzt einfach Abstand – und bei Eva fühle er sich wohl: „Ruf’ mich an, wenn etwas ist?“

Dann packte er den Koffer.

Sie litt. Vermisste die Gewohnheiten. Vermisste Rolf.

Einmal rief sie ihn mitten in der Nacht an. Die Frauenstimme ertönte. Also drückte sie den roten Knopf.

Nach einem Jahr schellte auch bei ihr das Telefon. Es war drei Uhr morgens. Niemand meldete sich. Ihr Herz jagte im Galopp.

„Rolf?“ – fragte sie leise.

Klack. Und Summton.

Eine Stunde später schellte es an der Haustüre.

Rolf schaute sie mit geröteten Augen an.

„Zieh’ den Krawattenknopf gerade“, sagte Helga.

Dann weinten beide.