Ihn profan als Autofan abzustempeln würde Klaus nicht gerecht werden. Er ist ein Autofanatiker, ein bekennender Auto-Aficionado. Das war schon zu Schulzeiten so. Während seine Kameraden davon träumten, einmal im Führerstand einer Krokodil-Lokomotive ins Tessin zu reisen und sie am Bahnhof eine eingestaubte Re 6/6 zärtlicher streichelten als sie es später je mit einer Freundin taten, kreisten Klausens Gedanken einzig um Blech gewordene Männerträume, und er zog den satten Sound eines hubraumstarken Achtzylinder-Muscle-Cars den Klängen der angesagten deutschen Schlager vor. (Das tut er übrigens noch heute, wenngleich er ein gewisses Faible für Helene Fischers Physis bekundet.)

So betrachtet ist sein Verhältnis zum ÖV leicht ambivalent. Einmal im Jahr jedoch ist die Bahn für den Individualverkehrsteilnehmer unentbehrlich. Dann nämlich, wenn er am Eröffnungstag an den Automobilsalon nach Genf pilgert. Beim nahezu lautlosen Vorbeiziehen pittoresker Seelandschaften entdeckt Klaus jeweils einen signifikanten Unterschied zwischen Schiene und Strasse: Würde ihm Justitia ihre Waagschalen um die Ohren knallen, wenn sie ihn Alkohol konsumierend im Auto ertappen würde, schwebt dieses Damoklesschwert im Zug nicht über ihm.

Den Höhepunkt seiner Bahnreise stellt jeweils das Vorzeigen des Billets dar. Dann nämlich zückt er voller Besitzerstolz sein Halbtaxabo und weist es, zusammen mit dem vor Reiseantritt am Bahnschalter (nicht im Internet!) erworbenen Fahrausweis, vor. Die Karte, die zu vergünstigtem Personentransport berechtigt, stellt in den Augen von Klaus ein Schweizer Grund- oder gar Menschenrecht dar, ganz egal, ob sie jemals amortisiert wird oder nicht. Ohne sie im Portemonnaie fühlt sich Klaus genauso nackt, verloren und seiner Rechte beraubt, wie ein strammer Soldat ohne Sturmgewehr im Schlafzimmerschrank.

Nach einem anstrengenden Ausstellungstag geniesst er es in vollen Zügen, sicher und bequem an den Ausgangspunkt seiner Reise zurückchauffiert zu werden. Ohne Hektik, ohne Stress, ohne Stau … dafür mit einem Glas lauwarmem Weisswein in der Hand.

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