„HERBERT!“ – Irma zupfte ihrem Gatten die Zopfscheibe aus den Fingern: „DA HAT’S DOCH SCHON BUTTER DRIN. UND DU STREICHST DIR DIE SCHNITTE NOCH FINGERDICK VOLL DAMIT!“

„Ach Irmchen“, seufzte er.

Und dann etwas bockig: „Es ist keine Butter – es ist „du darfst“-Margarine“ . Sein Ton fiel nun ins Jämmerliche. „…und auf die Quittenkonfitüre verzichte ich seit vier Wochen auch!“.

Irma kannte ihren Herbert. Der hatte wieder mal den Durchhänger. Als sie ihm am Neujahrstag erklärt hatte ihr Vorsatz für 2016 sei „jung zu bleiben und auch etwas dafür zu tun!“ – da war er sofort einverstanden gewesen, mit ihr zusammen in den Jungbrunnen zu springen.

Irma schleppte Tonnen von Literatur über alternatives Essen zum Thema „Fit ohne Fett“ nach Hause. Dazu zogen sie sich Theorien über „Jung mit Joga“ und „RENNEN – D E R RENNER!“ rein.

Die Praxis dazu : Karottensaft aus dem Gemüseshredder.

Nach sechs Wochen hatte Herbert ein Pfund weniger. UND DIE NASE GESTRICHEN VOLL!

„Hör mal Irmchen“  – Herbert angelte die Zopfschnitte aus dem Papierkorb, in den  Irma sie demonstrativ entsorgt hatte – „wir sind jetzt beide bald 70. Ich finde diesen Jugendwahn etwas übertrieben. Niemand kann aus einem vergammelten Runzelstilzchen eine frische Miss Schweiz zaubern…“.

„HERBERT!“

Das mit dem „vergammelten Runzelstilzchen“ war zwei Töne zu hoch gewesen.

Schon bretterte Irma los: „Es geht nicht darum, dass wir wie Marilyn Monroe aussehen. ES GEHT DARUM, DASS WIR IM ALTER APPETITTLICH BLEIBEN! Wir müssen lernen, dass in der heutigen Welt jeder auch nach 70 noch nicht auf den Friedhof gehört“

Herbert war sich da nicht so sicher. Klar wurden die Menschen dank Pillencocktail, Straffspritzen und Bewegungstherapie  spielend blühende 80,90 – ja gar 100 Jahre alt.

Überall wurde man jetzt zu diamantenen Hochzeiten eigeladen. Das Ehepaar empfing die Gratulanten immer fit, frisch gelockt und rundum rasiert  – es hatte aber keine Ahnung, wer all die Menschen waren, die ihnen die Hände schüttelten.  Und was da überhaupt gefeiert wurde.

„Weshalb kann man nicht einfach in Würde altern…“, seufzte nun Herbert. „Kannst du dich noch an Tante Rosamunde erinnern – sie hatte so etwas Grossartiges, wenn sie bolzengerade mit dem schlohweissen Chignon auf ihrem Sessel thronte…“

Irma knurrte: „Sie hatte überhaupt nichts Grossartiges…mir graute vor dem Geklapper ihrer Drittzähne und überdies verströmte sie immer diesen säuerlichen Geruch von vergessener Milch“.

Herbert schwieg pikiert. Es war eine Tante von seiner Seite gewesen. Und er dachte daran, wie sie die Anständigkeit hatte mit 78 Jahre an einem Abend mit ihrer heissen Honigmilch ins Bett zu steigen. Und dann nie mehr aufzuwachen.

D A S WAR DOCH SCHÖNES ALTERN!

Irma versuchte nun einzulenken:“ Ich meine es ja nur gut, Herbert – und ich finde auch, dass Du, seit wir etwas bewusster gesund leben,  wesentlich jünger daher kommst. Und glücklicher..“

Jung fühlte sich Herbert nur noch, wenn er mit seinen Kegelfreunden beim Bier herumalbern und Frau Wirtinnenverse deklamieren konnte.

Und glücklich war er am meisten bei dick gebutterten  Zopfschnitten mit Quittenkonfitüre.

Es schellte. Irma sagte „Ja, ja“ in die Gegensprechanlage. Dann etwas kleinlaut zu Herbert: „Das ist der Hometrainer, den ich über Internet bestellt habe…“

ES WURDE DER ERSTE GROSSE KRACH IM NEUEN JAHR.

Sie schwiegen einander zwei Wochen an.

Irma keuchte im Bügelzimmer auf dem neuen Laufband. Herbert löffelte in seinem Frust die Quittenkonfitüre direkt aus dem Glas.

Die Stummfilm-Epoche hörte erst auf, als Irma vom Band spulte. Und in den Waschkorb fiel.

Herbert zog sie aus den Leintüchern. Und nahm sie in die Arme: „Du hättest dir die Hüfte zerschmettern können, Irmchen…“. Dann streichelte er ihre Backen, die seit der Kur abgemagert und etwas runzliger waren: „Eins musst du wissen – ich liebe dich immer, so wie du bist…auch mit 150“.

Da weinte sie ein bisschen.

Und er strich ihr ein Stück Zopf mit fingerbreit Butter und Quittenkonfitüre…