Es fägt gar nid!! In einer Zeit, in der selbst das amerikanische Präsidentenamt bloss über das Gebaren eines gewinnorientierten Managers definiert wird; in einer Welt, wo verbale Schnellschüsse via Gezwitscher eine ganze Weltbevölkerung in Weltkriegsstimmung versetzen, da hat der Loser eh schon lange ausgeschossen. Das Image eines jeden Einzelnen wird via Hochglanz-Apps aufgepuscht, der Schein hat dem Sein definitiv den Rang abgelaufen. Wer da jetzt zu spät kommt, ist weg. Wer nicht mitmacht, wird geschnitten. Kriegsrhetorik prägt Geschäftsgebaren, eine zornige Mutter ist sogleich «Arschlochfrau» und immer wieder «du Träumer, du Loser»…

In meinen Jugendjahren war ein Luuuser eben ein Lausbube, der Ausdruck hatte doch einen gewissen Charme. Und husch und weg: aus Luuuser wird bloss noch Verlierer. Höchststrafe für alle unter 93. Was aber bitte lohnt es sich dann heute zu gewinnen? Die Herrschaft über das ausser Kontrolle geratene Cyber-Imperium? Die Rückeroberung des guten Gewissens? Eine gewisse Anerkennung bleibt ja sicher wichtig, warum aber muss es denn gleich ein millionenfach gelikter Hype sein?

Wie doch ein bekannter Kinderlied-Autor einmal in einer Beiz von sich gab: «Wir können nicht alle geili Sieche sein, das funktioniert dann nicht mehr.» Der lag sowas von richtig…

Das Diktat ist doch klar: Visionen musst du heute haben, Träumereien taugen höchstens für Geschichten zum Vorkindergartenalter. Wenn du immer noch an der Sinnfrage herumnörgelst, bist von gestern. Was, du hast die 3 wichtigsten Dinge noch nicht getan und die 50 schönsten Plätze noch nicht besucht? Dein Buch ist noch nicht erschienen, dein Baum nicht gepflanzt…? Dann ist höchste Zeit, eine der menschlichsten Eigenschaften überhaupt zum Leben wiederzuerwecken: das Träumen. Sudoku und Gehirntraining ahoi, die sind gut; Träumen aber bleibt die Königsdisziplin.

Ist nebenbei das beste Einschlafmittel… wirkt bei mir immer.  Zugegebenermassen ist die Anlaufzeit manchmal schon ein bisschen länger geworden. Ich sollte da mal wieder neue Traumwander-Routen rekognoszieren. Solche sind übrigens überall zu finden. Im Raum-Negativ (also immer genau auf der anderen Seite) der heutigen Schlagzeilen. Ein Kursbuch für all jene, die noch kein Traum-GA haben.

Träumen: Lebenserhaltungselixier No. 1, Nährboden für grenzenloses mentales Wachstum, StimmungsAufheller und Tiger im Tank in einem. Wer sich also nicht als Aldi-Kind wiedererkennt und dem Recht des Stärkeren nicht glaubt, muss im Oberstübchen wieder mal richtig abheben. Das echte Gezwitscher findet immer noch in den (gar nicht mal so kranken) Bäumen statt. Sprich mit den Vögeln oder denk dir eine schöne Geschichte für die Urur-Enkelin aus, die dann hoffentlich von deinem Spirit entweder genetisch was abbekommen wird oder sich an deinem Gesponnenen beim Betreten ihres Traum-Reviers erfreuen kann. Start your engine, es ist noch nicht zu spät.

Deine Träumerei muss ja nicht gleich zur weltumspannenden Religion werden, Gehirnwäsche und Machtansprüche sind exklusive. Wie sagte mir doch kürzlich der etwas düster dreinschauende Herr mit Turban auf der Kirchenfeldbrücke (wohl mit Anspruch auf etwas Kleingeld aus meiner Tasche): «You must be a very lucky person.» Stimmt. Ich kann schliesslich träumen. Das ging und geht übrigens ganz ohne Cash. Ich hab’s drauf, fühl mich dann nicht so eingeengt und kann durchaus den irdischen Draht mitspinnen und als Finale, wenn’s so richtig läuft, an meiner Gegenwart schrauben. Punktlandung inklusive. Das ist Feinjustieren für Geniesser.