Im Januar 2018 fand in Basel die FutureHealth Konferenz statt. Die Experten von EY (Ernst & Young) analysierten dabei zum Thema «Gesundheit der Zukunft» die bevorstehenden Veränderungen. Unser Bericht geht auf diese Entwicklungen ein und untermauert sie mit Praxisbeispielen.

VON THOMAS GEES, STEPHAN OHNMACHT, JÜRG ZÜRCHER

Spitäler und Kliniken sind Auslaufmodelle

Das Wort Homecare ist hier der zentrale Faktor. Ziel ist, mit Prävention, aber auch mit konkreten Initiativen, Produkten und Services, Menschen so lange wie möglich von Krankenhäusern, Kliniken, aber auch Altersheimen fernzuhalten. Intensivstationen, Notfallaufnahmen und teilweise die Chirurgie sind aufgrund ihrer Komplexität von dieser Zielsetzung grösstenteils ausgeschlossen oder von den Veränderungen weniger betroffen. Auch werden Krankenhäuser aus Kostenüberlegungen gezwungen werden, Behandlungen vermehrt ambulant anzubieten. Firmen wie Apple, IBM, aber auch Biopharma Firmen wie Eisai in Japan haben sich mit der Post zusammengetan, um Patienten mit personalisierten Angeboten direkt zu Hause zu bedienen. In der Schweiz sesshafte innovative Firmen wie DomoSafety erlauben das «Distant Monitorin» von Patienten über eine Reihe von Produkten, welche Daten an Ärzte, aber auch Angehörige senden. Im Weiteren hat sich auch das Feld der Medizintechnik verändert, da die Überwachung von Implantaten und anderen Produkten via Apps möglich geworden ist. Die Kollaboration zwischen Novo Nordisk und Glucoo setzt hier neue Massstäbe im Diabetes Management. Auch eine erste «Digital Medicine» wurde letztes Jahr von der amerikanischen Zulassungsbehörde  verabschiedet. Die «elektronische» Pille erlaubt es Ärzten, von überall auf der Welt zu verifizieren, ob ihre Patienten das Medikament wirklich eingenommen haben oder nicht – sollten sie es versäumt haben, erinnert ein Mail, eine SMS oder ein Anruf, dies nachzuholen.

Das Thema Prävention wird immer mehr ins Zentrum rücken. Viele Firmen haben das enorme Potenzial von «Healthy Living» verstanden und investieren in diesen Bereich. Das traditionelle Behandeln von Krankheiten in Krankenhäusern und Kliniken sowie das Modell Altersheim, wie wir es im traditionellen Sinne verstehen, reicht nämlich längst nicht mehr aus, um die Bedürfnisse der jungen, aber auch der älteren Patienten zu befriedigen.

Gesundheitsdaten direkt auf der Uhr

Mehr Selbstbestimmung der Patienten

Die Digitalisierung ermöglicht es Patienten, selbstbestimmter zu handeln. Viele Menschen wollen bewusst gesünder und informierter leben – vor allem aber unabhängig, mobil und zu Hause. Dieser neugefundene Selbstbestimmungswille, kombiniert mit den verfügbaren Informationen, lassen Patienten zu selbstbewussten (Mit-) Entscheidungsträgern werden. Digitale Plattformen wie beispielsweise die Cloud-basierte Health Suite von Philips werden zu zentralen Informations-Knotenpunkten. Oft weiss ein Patient vor dem Arztbesuch schon, was möglicherweise das Leiden ist, welche Therapeutika im entsprechenden Land zu welchem Preis verkauft werden, welche klinischen Studien gerade laufen und welche Nebenwirkungen die Medikamente bei anderen Patienten hatten. Onlineforen von Patientengruppen (PatientsLikeme etc.), digitale Datenplattformen, aber auchinnovative Ideen zum Thema Prävention werden einen immer grösseren Stellenwert bekommen. Diese Angebote ermöglichen es dem Patienten, beim Arztbesuch selbstbewusst und mit den richtigen Fragen aufzutreten.

Die Pharma- und Medizintechnik-Industrie hat den Vorteil erkannt, enger mit ihren Kunden zusammenzuarbeiten. Schlagworte und Konzepte wie «Patient Centricity» und somit auch «Personalized Healthcare» stehen hoch im Kurs. Konkrete Beispiele sind hier eine ganze Reihe von digitalen Healthcare Innovationen von Johnson & Johnson, AstraZeneca’s Kollaboration mit Umotif im Bereich klinischer Studien, oder auch Sanofi’s Partnerschaft mit Telus, welche Diabetes mit einer webbasierten Plattform angehen. Im Weiteren sind auch viele Start-ups, wie zum Beispiel Arivale oder Counsyl, im digitalen und genetischen Gesundheitsumfeld aktiv. Auch der Schweizer Pharmagigant Roche ist proaktiv und hat vor kurzem die US Firma Flatiron Health übernommen. Flatiron Health hat eine Technologieplattform entwickelt, welche es Roche erlauben wird, Daten und Erfahrungen eines jeden Krebspatienten zu analysieren, zu bewerten und für Forschungszwecke zu verwenden. Die neugefundene Selbstbestimmung der Patienten, welche im Besitz der eigenen Gesundheitsdaten und als Verantwortliche einer persönlicher Datensammlung agieren, wird das Gesundheitswesen markant verändern.

Maschinen statt Menschen

Der Einsatz von Maschinen und Automation im Gesundheitsumfeld hat schon längst begonnen. Die Frage stellt sich deshalb eher in Bezug auf die Akzeptanz dieser Entwicklung. Wann stehen wir an? Aus heutiger Sicht werden wohl eher regulatorische Schranken als die technologischen Möglichkeiten die Grenzen setzen. Beispiele wie Smartphones und Apps, die bei Hautveränderungen eine Erstbeurteilung anhand eines Fotos vornehmen, eine Behandlung vorschlagen und bei Bedarf an den Dermatologen schicken, oder Malariaparasiten, die durch Bildinterpretation eines Fotos eines Bluttropfens entdeckt werden, Armbanduhren, die 24 Stunden am Tag Informationen zu Puls oder Blutdruck liefern, intelligente Software, welche Radiologen die Interpretation der Bilddateien abnimmt oder auch therapeutische Stofftiere wie die Robbe Paro in Japan, welche depressiven und alleinstehenden Senioren Unterhaltung bietet, sind bereits heute entwickelt oder schon im Einsatz. Auch im Operationssaal sind die Innovationen nicht zu übersehen, immer ausgereifter, exakter und auch digitaler sind hier die «Werkzeuge» der Chirurgen inkl. Operationsroboter.

 

Weitreichende Veränderungen sind sicherlich auch mit dem Thema virtuelle Realität verbunden. So gibt es in gewissen Altersheimen schon «Headsets», welche Menschen virtuelle Ferien am Strand, oder eine Besichtigung der chinesischen Mauer erlauben. Firmen wie Amazon, IBM, Softbank, aber auch Institutionen wie die EPFL und ETH in der Schweiz sind hier höchst innovativ unterwegs. Amazon’s Alexa oder Apple’s Siri, die sprachgesteuert den Link zum virtuellen Arzt herstellen, sind erst der Anfang dieser Entwicklung. Das Aufgabengebiet von Medizinern, Krankenschwestern, aber auch das der Versicherungen, Regulatoren, sowie Angehörigen und Patienten steht in einem dynamischen Umbruch. Künstliche Intelligenz, das Smartphone und die Fortschritte im Bereich von Robotern, speziell für die Nutzung im eigenen Heim, werden tiefgreifende Veränderung bewirken. Diese Entwicklungen haben auf das Gesundheitswesen als Ganzes einschneidende Auswirkungen.

Dieser Artikel ist im Magazin 50plus im April 2018 erschienen.