Durchs tiefverschneite Brüelitobel zur Sonnenterrasse Plattenbödeli — Glück und Karfunkelsteine auf dem Weg — Genusswanderung durch unberührte Alpweiden, im Bann des Alpsteingebirges — eintauchen in sagenhafte Winterstille.

von Karin Breyer

Das Glück so nah im Brüelitobel
Ausstieg ist mitten in Brülisau, bei der Pfarrkirche, Haltestelle «Kastenbahn ». Mit dem Bau der Luftseilbahn im Jahr 1964 hinauf zum Gipfel des Hohen Kasten (1795 m ü. M.) setzte in dem 500-Seelen- Dorf der Tourismus ein – insbesondere Wanderer und Alpinisten lieben die «xondi Loft ond e schöni Landschaft» und nutzen das vielfältige Wanderwegnetz am Fuss des Alpsteingebirges. Sie spazieren auf dem Teersträsslein ortsauswärts, Richtung Plattenbödeli. Entspannt gehts durch den Talboden, vor Ihnen erhebt sich das Gebirge, schön zu sehen die Ebenalp. Die Talstation der Alpsigelbahn wird gestreift (ab Mai kann man hochgondeln, die Alp Sigel ist Ausgangspunkt schöner Touren), schliesslich erreichen Sie den Parkplatz Pfannenstiel.

Der fortan pink markierte Winterweg lotst nach rechts in den Wald. Eine Stunde gehts nun hinauf zum Plattenbödeli, gut 350 Höhenmeter werden zurückgelegt, mit kurzen Steilpassagen (Teleskopstöcke sind eventuell hilfreich).

Von Anbeginn gluckst und murmelt der Brüelbach, der sich, je nach Schneeverhältnissen, mal zeigt oder einfach verschwindet und wie eine glitzernde Schlange sich durch den Brüelitobel bewegt.

Felsen türmen sich auf, märchenschön ziehen die verschneiten hohen Tannen am Auge vorbei. Unter der Schneedecke schlummern grosse Steine, Wegweiser, Zäune und Büsche. Wunderbar still ist es im Wald, immer wieder tauchen Lichtungen auf, ein paar Alphütten, vor Ihnen der gut präparierte Weg.

Es ist ein konzentriertes Gehen entlang hoher weisser Wände, dort und da strahlt die Sonne durch, Schneekristalle glitzern.

Hier lauert auch das Glück, so heisst es in einer Sage. Irgendwo im Brüelbach, so wusste einst ein Mann von Brülisau, liegt verborgen ein wunderschöner Karfunkelstein. Jeden Sommer zog er mit ein paar Geissen und Kühen auf eine kleine Weide im Brüelitobel, wo seine Hütte stand, nur ein paar Steinwürfe vom glucksenden Bächlein entfernt. Eines Nachts, nach heftigem Gewitter und Hagel, fiel plötzlich helles Licht in seine Kammer. Neugierig spähte er aus dem Fenster und sah voller Staunen, dass aus dem Bachbett, bei den Krüppeltannen, ein grosses silbriges Licht funkelte. Der etwas ängstliche Mann traute sich nicht hinaus, wusste er doch um die Wildzwerge und die im Tobel gefährlichen Hexen. Am nächsten Tag eilte er hinunter zum Pfarrer nach Brülisau und erzählte von seiner Lichterfahrung. «Ei, ei», sagte dieser. Wie schade, dass er dem Glanz nicht gefolgt sei, dies wäre nämlich der Karfunkelstein gewesen … Schnurstracks eilte der Mann mit seinen zwei Buben ins Tobel, sie suchten von frühmorgens bis spätabends, tagelang, wochenlang, aber der Karfunkelstein tauchte nicht auf. Bis heute soll er noch dort oben irgendwo liegen …

Durch Alpweiden vagabundieren
Welch Freude, oben auf dem Plattenbödeli. Auf der grossen, sonnendurchfluteten Geländeterrasse steht im typischen Appenzeller Stil das Berggasthaus, wo man sich gerne niederlässt, drinnen in der gemütlichen Stube oder draussen – fein Hausgemachtes gibts: Gerstensuppe, Chäsrösti, Siedwurst, frische Nussgipfeli (Winter- Öffnungszeiten erfragen, Tel. 071 799 11 15). Bestens die Sicht auf Kreuzberge, Saxer Lücke, Fulfirst, Stauberen.

Unmittelbar am Berggasthaus lotst Sie der pinkfarbene Schneepfad links zum Ruhesitz (Schneeschuhläufer gehen geradeaus und in einem grossen Bogen um den Sämtisersee).

Eine Seelenlandschaft öffnet sich … rechts zeigt sich bald vor fabelhafter Kulisse die Bergkapelle Maria Heimsuchung, Hunderte von Metern rechter Hand – vom Weg aus nicht sichtbar – ruht der Sämtisersee.

Dann gehts durch lockere Baumgrüppchen und Lichtungen, in einer grossen Linksschlaufe durch die Winterlandschaft. Sie durchstreifen die Alp Soll, die von der Sonne mächtig durchleuchtet wird. Sanft vagabundieren Sie auf und ab, in gleichförmigem Schritt, immer den pinkfarbenen Stangen entlang (gelbe Wegweiser ignorieren). Typisch Appenzell: in Wellen gelegte Landschaft, kleine Wäldchen, hier und da riesige einzelne Tannen. Und diese Unberührtheit! Sonnenverbrannte Alphütten stehen vereinzelt herum, Sie kommen durch Brüllenstein und Schwaderloch. Bald darauf stossen Sie auf die Alp Soll (Pt. 1311), ganz in der Nähe steht ein kleines Bildstöcklein. Eine Wonne, diese Blicke aufs Alpsteingebirge, auf schroffe Grate und Felswände und das Appenzellerland, wenns über die lichten Alpweiden geht.

Rechts erheben sich zum Greifen nah der Hohe Kasten und Kamor, wo, so erfährt man in Sagen, unzählige Drachen hausen sollen. Dann kommen Sie nach Hüttenböhl und in sanftem Abwärtsschritt bald zum Berggasthaus «Ruhesitz». In dem gemütlichen, neu errichteten Haus geniesst man schönste Fernsichten aufs Gebirge und das in Falten gelegte Appenzell. Spezialitäten des Hauses sind Käsemagronen, Schwinis mit Sauerkraut, Kutteln mit Tomatensauce und hausgemachte Berewegga mit Butter (Öffnungszeiten erfragen unter Tel. 071 799 11 67).

Jetzt haben Sie die Wahl: Sie wandern die gut drei Kilometer lange Strecke in grossen Kehren runter nach Brülisau, oder Sie mieten ganz unkompliziert einen Schlitten beim Berggasthaus «Ruhesitz» und erfreuen sich an einer rasanten Schussfahrt hinunter – Panorama und Heidenspass garantiert (die Strasse ist gleichzeitig auch Schlittelbahn). Den Schlitten stellen Sie dann in Brülisau an der angezeigten Scheune ab. Tipp: Bestellen Sie das PubliCar bereits oben beim «Ruhesitz», dann gibt es keine Verzögerungen