«Nostalgic» nennen Gert Pichler und Walter Laimer ihre selbst entwickelte Zeitmaschine. Sie entführen ihre Kunden hinters Steuer von offenen klassischen Oldtimern aus den 60er- und 70er-Jahren und lassen so die Zeiten des La Dolce Vita wieder auferstehen. Ein Self-Drive-Abenteuer, das ausser der Infektionsgefahr mit dem Oldtimer-Reisevirus nur Wellness für die Sinne bietet.

VON MARTIN SCHATZMANN

Millionen Menschen weltweit sind der Faszination Oldtimer verfallen. Doch was ist denn das Tolle daran, ein Auto mit veralteter Technik, schlechter Sicherheitsausstattung, miserablen Abgaswerten, unbequemer Ausstattung und nahezu lächerlichen  Beschleunigungswerten zu fahren? Eine rationale Antwort darauf gibt es keine, es muss eine ganz und gar emotionale Sicht der Dinge her, die veranschaulicht, weshalb die Fahrt im ruckeligen Oldtimer zum Freizeit- und Ferienereignis wird. Wer keinen eigenen Oldtimer besitzt, der kann die Emotionalität wohl erst dann richtig verstehen, wenn er – oder sie – sich selbst hinters Steuer setzt.

Die Alfa Spider waren leicht und daher
äusserst flink unterwegs. Das macht die Fahrt in
der heutigen Zeit noch immer zum Vergnügen.

Mit «Nostalgic» haben die beiden Meraner Studienfreunde Gert Pichler und Walter Laimer im Jahr 2003 ihre eigene Begeisterung für das Reisen im Oldtimer zu einer Geschäftsidee entwickelt. Wohlwissend, dass sich viele Menschen wegen ihrer eigenen Lebensgeschichte von den automobilen Zeitzeugen angesprochen fühlen, aber aus den unterschiedlichsten Gründen nur davon träumen können, haben sie sich an die Arbeit gemacht, um solche Träume für ein paar Tage Realität werden zu lassen.

Die Autos, die Region
Die Basis dazu haben sie mit der Anschaffung einer Flotte von offenen Alfa Romeo-Klassikern gelegt, die gut im Schuss gehalten den Kunden während der viertägigen Events anvertraut werden. Allerdings heisst Nostalgic nicht, ziellos im Oldtimer durch die Gegend zu kurven. Vielmehr haben Pichler und Laimer ein Gesamtpaket geschnürt, mit den zum Automobil passenden Regionen, stilvollen Unterkünften und genussvoller, regionaler Küche. Mit den Alfa Spidern war die erste Wahl Toskana wie gegeben. Sanfte Hügel, traditionsreiche Städte voller historischer Monumente, zypressengesäumte Alleen und eine Rennsporthistorie, die sich mit Nuvolari oder Mille Miglia schmücken kann. Man kann die Kombination von Alfa und Toskana auch als das Herz von Nostalgic bezeichnen und unsere Leserreise entführt zu dieser Essenz von Nostalgic. Sie hat seit 2003 nichts von ihrem Charme und ihrer Ausstrahlung eingebüsst – ganz im Gegenteil.

Die automobile Geschichte von Alfa Romeo begann Anfang des letzten Jahrhunderts, doch die heutige Faszination der Marke fusst mehr auf der Nachkriegszeit der 50er- und 60er-Jahre. Die Sehnsucht nach Bella Italia, Strand und Meer gipfelte im Ausdruck von La Dolce Vita, deren wichtigstes Accessoire das Auto ist. Es ist in den Filmen von Federico Fellini anzutreffen und gehört unzertrennlich zum Lebensgefühl der damaligen Generation.

Mit ihren gewundenen Strassen ist die Toskana ein Paradies
für die gemütliche Oldtimer-Fahrt. Die Kombination von klassischem
Alfa Romeo Spider und zypressengesäumten Alleen sind der
perfekte Ausdruck von La Dolce Vita. Rechts: Vergnügen pur!
Unterwegs in einer mit Akribie gepflegten Giulia Spider.

Der Alfa Romeo Giulietta Spider begeisterte Persönlichkeiten wie Sophia Loren und Marcello Mastroianni, aber auch die ganze bourgeoise Jugend von Paris bis New York. Bei Nostalgic gehören die Giulietta Spider (1955–1962) und ihre Nachfolger Giulia Spider (1962–1965), 1750 Duetto (1966–1969) und 2000 Spider Veloce (1970–1982) zur Fahrzeugflotte und sie alle werden uns auf «unseren» vier Tagen Zeitmaschine und Transportmittel durch die Toskana sein.

Das breite Spektrum von Nostalgic
Nostalgic hat über die Jahre sein Alfa-Angebot sukzessive um zwei Standbeine erweitert. Auf der Suche nach Autos, die wie die Alfa Spider selber Geschichte geschrieben haben, sind Laimer und Pichler zuerst beim VW Käfer gelandet. Der hatte Deutschland mobil gemacht, hatte das Image vom bösen Nazideutschland nachhaltig in der ganzen Welt verändert und hatte das «Made in Germany» salonfähig gemacht. Inzwischen besitzt Nostalgic eine Vielzahl klassischer Käfer, allesamt Cabrios, die vornehmlich in den alpinen Regionen um Berchtesgaden, ums Schloss Neuschwanstein, um die Zugspitze und in der Wachau für meist zweitägige Touren zum Einsatz gelangen.

Nach Alfa Romeo und VW Käfer hatte Nostalgic seine Flotte dann zuletzt um zwölf Mercedes-Benz SL erweitert, bestehend aus dem W113 Pagode von 1963 und dem Nachfolger R107 von 1971. Diese Wagen waren in ihrer Zeit die offenen Luxusliner des Jetset und haben sich so längst in die Sphären der Traumautos hochgeschwungen. Mit dem Mythos Mercedes ist Nostalgic inzwischen der offizielle Reisepartner von Mercedes-Benz Classic geworden. «Wir verstehen etwas von Autos, aber nicht von der Organisation von Reisen», begründet Mercedes Classic, weshalb sie ihre Kundschaft den erfahrenen Händen von Nostalgic überlässt. Reisen mit den Mercedes SL führt Nostalgic in der Toskana durch, in der Provence, am Lago Maggiore und zum Klassik-Rennsport-Ereignis der Mille Miglia.

Grosszügiger Zeitplan
Die Reisen von Nostalgic beginnen immer mit einer ersten gemütlichen Ausfahrt, bei der man sich an die Bedienung des Oldtimers gewöhnen und mit der Handhabung des Roadbooks vertraut machen kann. Das Roadbook ist der Schlüssel zum Erlebnis, denn es führt auf prachtvolle und zugleich verkehrsarme Strassen, auf denen die eigentliche Fahrt mit dem Klassiker und das Erlebnis der Landschaft gleichermassen zum Tragen kommen. Und das Roadbook führt durch einen grosszügigen Zeitplan, bei dem gemeinsame Besichtigungen und Degustationen, aber auch viel Platz für individuelle Gestaltung vorhanden ist, wie das Mittagessen in der Trattoria entlang der Strecke, oder das mitgebrachte Picknick neben einer Schloss- oder Klosterruine. Es ist dieser Mix aus Kultur, Kulinarik, Landschaft und Fahrvergnügen, welche den Reiz der Oldtimer-Reise ausmachen. Übernachtet wird in ausgewählten Herbergen.

Entlang der Route sind Juwelen zu entdecken,
wie das Kloster
Sant’Anna in Camprena, wo Teile des Films
«Der englische Patient» gedreht wurden.

Da Nostalgic die Reisen als Sternfahrten aufgezogen hat, wechselt man nie das Hotel, und deshalb liegen die Häuser nicht in Stadtkernen, sondern im Grünen, sind inhabergeführt und landschaftlich reizvoll eingebettet. Alle Hotels wurden von Nostalgic sorgfältig evaluiert, denn nicht Tripadvisor oder Sterne zählen, sondern die persönliche Expertise der versierten Organisatoren. Im Fall unserer Leserreise ist es das Viersterne-Hotel Borgo di Vèscine bei Radda in Chianti. Hier sind die antiken Gebäude des ehemalige Dorfs aus dem 14. Jahrhundert in charmante Gästezimmer umgewandelt worden.

Das Hotel Borgo di Vèscine ist ein umgewandeltes Dorf,
das aufs 14. Jahrhundert zurückgeht. Die Gästezimmer sind
in den historischen Gebäuden untergebracht.

Begleitet werden die Touren von mindestens zwei Reiseleitern, die sich um die Belange der Gäste kümmern. Sie haben Freude am Umgang mit Menschen und Oldtimern und sind bereit, die Extrameile zu gehen. Sie begleiten die täglichen Routen diskret mit einem Transporter, auf dem ein weiterer Oldtimer bereit ist, um bei einem technischen Ausfall umgehend ein Ersatzfahrzeug stellen zu können. Jede Reise wird sehr detailliert vorbereitet, um möglichst nichts dem Zufall zu überlassen, und die Arbeit beginnt schon lange vor dem Reisetermin. In der persönlichen Beratung im Vorfeld werden auch Wünsche gerne ins Programm eingeflochten.

Die vorgeschlagene Reise vom 26. bis 29. September ist ein Versprechen auf vier erlebnisreiche Herbsttage in der Toskana – in einem Auto, das eine Reduktion auf das Wesentliche ist. Keine Tasten, keine Bildschirme, keine Computer, keine Digitalanzeigen. Nur ein Schlüssel aus Metall und ein Zündschloss, in das der Schlüssel von Hand gesteckt und von Hand gedreht werden muss, damit der Motor startet. Und der springt nicht wie eine Nähmaschine an, sondern röchelt und hustet, verlangt nach gefühlvollem Umgang mit dem Gaspedal, damit er schliesslich rund läuft. Alles keine Hexerei, aber es braucht etwas Zeit zur Gewöhnung und ist somit das ideale Werkzeug zur Entschleunigung. Auch für Sie?

Hier geht es zur Ausschreibung der Leserreise