Der Strichplatz mit den Sexboxen ist nur 200 Meter entfernt, das Asylheim einen Steinwurf. Das Restaurant Transit befindet sich mitten im sogenannten Basislager – der ehemaligen Mülldeponie von Zürich. Die umfunktionierte Baracke verbreitet ihren Charme über das ganze Industrieareal.

VON BENEDIKT LACHENMEIER

Die stolzen Pächter sind Daniel Ris und Kathrin Ansorge. «Ich lebe hier jeden Tag meinen Traum», schwärmt der 49-Jährige. «Aber reich wirst du mit so etwas in Sachen Geld nicht. Dafür auf einer anderen Ebene.» Es ist die Freiheit, die der Gastronom hier am Stadtrand so geniesst. «Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt und ich habe keinen bösen Chef vornedran.» Die Vermieterin, die Asyl Organistation AOZ, lässt ihm freie Hand. Das macht sich unter anderem an der liebevoll improvisierten Einrichtung bemerkbar. Bunt durchmischte Tische und Stühle bilden zusammen mit Wandbildern, Lampen und der alten Jukebox eine Einheit. «Die Baracke war eine alte Tankstelle, eine Bruchbude. Die Stadt wollte sie abreissen. Mit dem Transit möchte ich zeigen, dass man in einer der teuersten Städte der Welt mit wenig Geld und viel Eigeninitiative doch noch etwas bewirken kann.

Daniel Ris ist ein Lebenskünstler. Die klassische Karriere war nie sein Ding. Sein Berufsweg begann mit einer Kochlehre. Dann zog es den Zürcher nach England. Dort absolvierte er die Hotelfachschule. Zurück in der Schweiz arbeitete der heutige Wirt als Nacht-Hoteldirektor. Nachdem er in Istanbul mithalf, das Swissôtel The Bosphorus zu eröffnen, wurde der gelernte Koch Betriebsanalyst in einem grossen Zürcher Hotel. Später arbeitete er in einer Versicherung in der IT, dann als Programmierer und schliesslich in einem Unternehmen, das massgeschneiderte Haarprotesen herstellt. «Irgendwann sagte ich, jetzt ist Schluss. Auch wenn ich gut verdiente.» Doch wie sollte es weitergehen? Daniel Ris machte sich selbständig und bot Programmier- und Bürolösungen an. «Ich versuchte die Firma eines Kollegen zu retten. Ich wusste eigentlich nicht so genau, was ich machen wollte.» Und dann war da dieser Ford Transit, von dem das heutige Restaurant an der Aargauerstrasse in Zürich Altstetten seinen Namen hat. Bereits vor zehn Jahren betrieben der Wirt und seine Geschäftspartnerin in diesem Kleintransporter einen Imbissstand in der Binz im Stadtkreis Wiedikon. Das Geschäft lief gut. «An einem guten Tag haben wir 100 Mittagessen rausgelassen», erinnert er sich. Vor sechs Jahren ergriffen die beiden die Gelegenheit, die alte Baracke beim Asylheim als Zwischennutzung ins Transit umzufunktionieren.

«Ich lebe hier jeden Tag meinen Traum»

«Ich lebe hier jeden Tag meinen Traum»

«Es ist eine Drehscheibe, wo sich von links bis rechts alles trifft, und wo man sich mit guter, gesunder Küche ernähren kann.» Mehr noch. Daniel Ris und Kathrin Ansorge betreiben auf dem Areal Integrationsarbeit. Bis auf den Schweizer Küchenchef und die beiden Wirte sind im Transit zurzeit zwei Eritreer, ein Somalier und eine Äthiopierin beschäftigt. «Die Leute haben eine Arbeitsbewilligung und sind keine billigen Arbeitskräfte», betont der Gastronom. Sein eigener Lohn befindet sich unter dem Existenzminimum – bei einem Pensum von sieben Tagen die Woche und rund 18 Stunden am Tag. Er sieht sich schon als Vorbild, meint der 49-Jährige. «Ich glaube, wenn man sich nicht immer auf das Monetäre fixiert, hat man die Möglichkeit, Dinge zu sehen, die sich vielleicht nicht im Geld niederschlagen, dafür aber das Leben wertvoller machen.» Daniel Ris selbst gönnt sich für seine persönliche Work-Life-Balance nach zehn Monaten arbeiten jeweils eine Auszeit von zwei Monaten. Dann studiert der Lebenskünstler an neuen Projekten herum. Wie zum Beispiel an der Idee, die ihm in Afrika beim Relaxen auf dem Liegestuhl gekommen ist. Daniel Ris möchte in Gambia ein Hotel eröffnen, wo sich die Gäste ihr Essen direkt aus dem Garten pflücken können. Das Land hat er sich bereits gesichert. Fehlt nur noch die Baubewilligung. «Die Möglichkeit, an die Realisierung eines Traums zu kommen, heisst zu versuchen, sich von Sicherheiten zu lösen und auf das hineinzumarschieren, was einem guttut.»

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