Ein besonderes Nachtessen bei Freunden

Ich bin ein geselliger Mensch. Ein Nachtessen bei Freunden oder Bekannten macht mir dann besonders Spass, wenn am Tisch auch neue Gesichter auftauchen. Leute, mit denen man sonst wohl kaum ins Gespräch gekommen wäre. Denn, wo lernt unsereiner überhaupt noch spannende Menschen kennen.

VON Kurt Aeschbacher

In Clubs rumzuhängen und einem Gegenüber in Konkurrenz zur dröhnenden Beschallung abgehackte Sätze in Kurznachrichtenlänge in die Ohren zu schreien, ist mir seit langem zu anstrengend. Diese Art von Sprachlosigkeit langweilt mich. Und in irgend einer Bar all die verlorenen Seelen zu beobachten, die auf ihrem Iphone Facebook Nachrichten checken, kann ich auch im Tram, Zug oder auf der Strasse. Deshalb bin ich nicht nur gerne Gastgeber, sondern noch lieber Gast. Am liebsten in kleinen Runden, die ein Tischgespräch überhaupt noch ermöglichen.

Kürzlich hielt sich jedoch meine Begeisterung rund um eine Einladung bei Bekannten in Grenzen. Wochen zum voraus aufgeboten, traf ich auch pünktlich zur vereinbarten Zeit am Ort des Geschehens ein. Dies im Wissen, dass nichts lästiger ist, als verspätete Gäste, denn dann landet das Filet zäh, das Gemüse verkocht und der Risotto als Pflotsch auf dem Teller. Pünktlich am besagten Abend waren auch zehn weitere Gäste, aber die anderen fünfzehn liessen (mit Recht, wie sich später erwies) auf sich warten. Ein gemütliches Nachtessen – so die Ankündigung auf der Einladung – mit 25 Personen? Ein Alptraum…

Die zwei ersten Stunden stand männiglich – die Damen in ihren Leboutin HighHeels mit zunehmend geschwollenen Füssen – in der reich equipierten Küche herum und versuchte, gequälten small talk zu zelebrieren. Kurz unterbrochen mit einer Führung durch das neu gekachelte Hallenbad und einem eindrücklichen Blick in den klimatisierten Weinkeller (in der Grösse einer mittleren Turnhalle). Endlich ergriff der Hausherr das Wort und erklärte seinen bereits beträchtlich alkoholisierten „Freunden“ in einer halbstündigen Rede, wie er sich den weiteren Verlauf des Abend vorstelle. Geplant sei ein siebengängiges Menue (oh Schreck!), das die geladenen Gäste unter seiner Anleitung gemeinsam zu zubereiten hätten. Zur Förderung des  Kennenlernens würde man die ersten vier Gänge dann auch rund um die Kochinsel einnehmen (so liessen sich lockere Gespräche führen, wie der einfühlsame Gastgeber meinte), um sich dann ab dem Fischgang an die 20 Meter lange Tafel zu setzen. Spätestens ab diesem Moment quälte mich nur ein Gedanke: wie komm ich da raus.

Aber es gab kein Entrinnen. Kochschürze gefasst und ran an die Zucchini. Irgendwann gegen Mitternacht landeten dann endlich die Filets de Sole auf dem Teller und damit endlich die ganze Gesellschaft in erschöpfter Sprachlosigkeit am Tisch. Eine Stunde später war sogar das Filet rosarot servierbereit, was ich allerdings nur noch durch einen verschwommenen Schleier meiner bleischweren Augendeckel wahrnahm. Gesprächig waren um diese Uhrzeit einzig noch die beiden Gastgeber, die voller Enthusiasmus die gelungene Zusammenarbeit von sich fremden Menschen in einer fremden Küche preisten. Zu erahren, wie der Abend in diesem „gastfreundlichen“ Haus endete, blieb mir verwehrt.

Noch vor dem Dessert (im Morgengrauen) entschwand ich durch das Toiletten Fenster und schwor mir, in Zukunft Einladungen nur noch dann anzunehmen, wenn ich die Anzahl Gäste, den Umfang des Menues und nähere Angaben über den geplanten Ablauf in Erfahrung bringen kann. Und für meinen Haushalt gilt seitdem die strikte Regel: nie mehr als sechs Leute am Tisch und das Dessert ist vor Mitternacht abgeräumt. Aber vielleicht bin ich ein hoffnungsloser Bünzli.

Mehr Meinungen? Hier finden Sie die Berichte unserer Kolunisten (und bald auf Kolumnistinnen).

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