Nun gut, wir sind Babyboomer. Und sind als Ü50er auch der Grund dafür, dass es der Welt schlecht geht. Offenbar. Wegen uns sind die Sozialwerke aus dem Lot, laufen die Gesundheitskosten aus dem Ruder, schmelzen die Gletscher, gibt es globale Erwärmung, entstehen Wirbelstürme wie unlängst der Harvey – wegen uns geht wohl der blaue Planet demnächst vor die Hunde…. Wir sind offenbar schuld. Schuld an allem.

Von Koni Fehr

Natürlich setzen wir alles daran, nicht als Teil dieser nun älteren Generation erkannt zu werden. Wir tarnen uns mit jugendlichen Kleidern, stählen unsere Körper im Gym, laufen selbst mit 70 noch Marathone, färben uns die Haare oder lassen sie implantieren – oder noch schlimmer: wir tun beides und laufen als menschgewordene Peinlichkeiten durch die Weltgeschichte, wie der grüselige blonde amerikanische Donald, der mehr an ein Grosi erinnert – einfach ohne dessen Güte und ohne Lismete.
Es ist uns irgendwie peinlich, wir genieren uns. Wer möchte denn schon gerne das Problem sein.

Doch Hand aufs Herz: können wir etwas dafür? Haben wir es uns ausgesucht, in den Boomjahren geboren zu werden, als unsere Eltern mit neu entdeckter Lust und befreit von Zwängen die Fertilitätsrate explodieren liessen und Kinder im Akkord erzeugten – unter anderen uns? Haben wir es uns gewünscht, mit Millionen anderer die Erde zu überschwemmen, die Strassen und Trams zu verstopfen sowie die Zweitklassabteils der SBB? Wir können auch nichts für den Pillenknick, denn wäre diese Pille nicht erfunden, wären wir auch nicht zum Problem geworden. Die immer ungehemmter ausgelebte Sexualität hätte nach wie vor zu Kindern geführt – und die Alterspyramide hätte noch immer eine Dreiecksform und sähe nicht aus wie ein Döner.

Schluss damit, es reicht jetzt mit dem schlechten Gewissen. Hören wir auf damit, uns zu entschuldigen für Umstände, für die wir nichts können. Stehen wir zu dem, was wir können und was wir erreicht haben.

Unsere Generation hat durchaus auch Gründe, stolz zu sein. Wir sind die, welche Grenzen sprengten und immer noch sprengen. Wir brachen mit jahrhundertealten Traditionen, befreiten uns aus den Zwängen der Religionen, der Gesellschaft – unserer Eltern. Wählten die Religion, die wir wollten, lernten die Berufe, auf die wir Lust hatten. Wir führten das Frauenstimmrecht ein, schafften es, dass in Mitteleuropa seit über 60 Jahren kein Krieg mehr herrscht. Wir waren die Spitze der digitalen Revolution. Wir probierten neue Wohn- und Lebensformen aus und gründeten Alters-WGs, wir ruinierten uns die Gesundheit mit psychodelischen Grenzerfahrungen. Und wir erfanden den Rock ‘n Roll. Ja lueget Sie mal die Rolling Stones an – fast schon mumifizierte alte Herren – aber wenn die auf der Bühne stehen, dann geht’s ab, wie es die heutigen Bands nicht mehr schaffen

Gegen uns sind die jetzigen Generationen, nennen wir sie Y oder Z, schlichte Schlaftabletten. Gagelen mit dem Handy vor der Nase und dem Daumen am Bildschirm durch ihre virtuelle Welt, haben vor allem Lust auf Freizeit und Dolce far niente. Leistung und Verantwortung? Nein danke.

Also kommen Sie, Sie Babyboomer oder Ü50er, klopfen Sie sich wieder mal richtig selber auf die Schulter, starten Ihre Harley und lassen den Summer of 68 oder 80 nochmals aufleben. Wir sind eine coole Generation, vermutlich die coolste, die es je gab – oder je geben wird. Kopf hoch – das strafft auch die Runzeln!

 

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