Was braucht es, um mitten im Leben nochmals von vorne anzufangen? Lebensfreude und Durchhaltevermögen. Dann klappt es auch mit dem langgehegten Traum. So auch bei Frank E. Bucher.

Spotter und Aviatikshop-Betreiber

Stundenlang sitzt Frank E. Bucher auf der Dachterrasse seiner Ferienwohnung und schaut in Richtung Flughafen Palma de Mallorca. Für sein ausgefallenes Hobby braucht der Zürcher lediglich zwei Utensilien: einen Feldstecher und ein Funkgerät. «Ich bin ein Ur-Spotter», sagt der 70-Jährige. Seit 60 Jahren notiert sich der Aviatikfan die Registrationsnummern von Fliegern, um sie dann in seine Sammlung zu integrieren. Er will sie alle haben. Jedes Flugzeug jeder Airline. Über Funk hört Bucher, wann die Flugzeuge landen und starten, mit dem Fernglas erspäht er dann die Nummer.

Angefangen hat alles mit dem Besuch am Flughafen Schiphol in Amsterdam. «Mich hat fasziniert, wie sich an einem Flugplatz die ganze Welt trifft», erinnert sich Bucher. Bereits am Flughafen Zürich hatte der damals Zehnjährige Flieger beobachtet. Aber so etwas hatte er noch nie gesehen. «Da hat es mich gepackt. Ich habe gemerkt, dass jedes Flugzeug eine eigene Identität hat. Ich wollte wissen, aus welchen Ländern die Flieger kommen und welche Geschichte dahintersteckt.» Seine Leidenschaft teilte Bucher mit anderen Gleichaltrigen. Durch das damalige Magazin «Cockpit» entdeckte der Aviatikfan, dass sie nicht die Einzigen sind, die Flieger «sammeln». Doch das Büchlein «Kennzeichen der Verkehrsflugzeuge» des Magazins war fehlerhaft. Also schlugen Bucher und sein Kollege vor, den Herausgeber bei der Publikation zu unterstützen. Als dieser nach der dritten Ausgabe aufhörte, riefen die beiden Flugzeugfans das Jahrbuch jp airline-fleets ins Leben. «Die ersten 150 Exemplare waren schnell weg.» Das Verzeichnis, welches Bucher nun nicht mehr selbst verlegt, ist ein inzwischen 800 Seiten starkes Werk, in dem alle Verkehrsflugzeuge der Welt mitsamt Kennzeichen erwähnt sind.

«Nein, ich wollte nie Pilot werden. Ich bin ein Typ, der seine Grenzen kennt», winkt Bucher ab bei der Frage, ob das nicht die logische Folge aus seinem Hobby war. Seine Leidenschaft lebte der Zürcher als Spediteur bei einer amerikanischen Fluggesellschaft aus. «Einmal sagte ich einem Kunden am Telefon: Einen Moment, bitte, legte den Hörer weg, notierte den Flieger und nahm erst dann das Gespräch wieder auf», lacht er. Irgendwann lief das Geschäft mit dem Flugzeuge-Verzeichnis so gut, dass sich Bucher selbstständig machte. Aus der Idee mit dem Buch entstand 1981 schliesslich ein Laden. Alles, was das Aviatikfan-Herz begehrt, ist hier zu finden. Das Angebot reicht von der Postkarte über DVDs bis hin zu Flugzeugmodellen in allen erdenklichen Grössen. Von einem bestimmten Flieger möchte sich Bucher nur ungern trennen. «Wenn ich den letzten Air Switzerland verkaufen müsste, würde mich das schon wurmen.» Air Switzerland? «Nach dem Grounding der Swissair war ich als Berater bei der Gründung einer neuen Airline beteiligt», verrät Bucher. Abgehoben sind die Flieger nie. Trotz einem Investor. «Der Enthusiasmus kam vor dem Verstand», lacht der ältere Herr mit dem sauber zurechtgestutzten Schnurrbart.

Buchers Leidenschaft ist nicht zuletzt durch seine Präsenzzeit zu spüren. Sechs Tage die Woche steht der 70-Jährige noch heute in  seinem «Buch AIRcenter» in Opfikon. Auch von seinem Hirnschlag vor zehn Jahren liess er sich nicht aus dem Konzept bringen. «In den Stunden, in denen ich gelähmt war, lief mein Hirn auf Hochtouren. Da fragt man sich, wie man sich das Leben in Zukunft vorstellt.  Aufhören kam absolut nicht in Frage.» Einen Monat später stand der Ladenbesitzer wieder auf der Matte. «Ich fühle mich noch zwäg, ausserdem muss meine Frau auch noch ein paar Jahre als Maître de Cabine arbeiten», sagt er heute und fügt an: «Ich habe eine gute Kundschaft und fühle mich ihr gegenüber verpflichtet. Ich will nicht einfach schliessen und abhauen.» Und als wäre das nicht genug, organisiert Bucher für Spotter auf der ganzen Welt jedes Jahr während dem WEF Rundfahrten auf dem Flughafen Zürich – die Gelegenheit, auf einen Schlag Flugzeuge aus aller Herren Länder zu spotten. Jeweils 1000 Teilnehmer innerhalb einer Woche beweisen: Frank E. Bucher ist nicht der Einzige, der mit einem Flieger-Virus infiziert ist.

Dieser Artikel erschien im 50plus Magazin – Ausgabe August 2016