Sei es die Katze, die sich in Nachbars Garten versäubert, die Gäste, welche unerlaubterweise auf dem Grundstück nebenan parkieren, oder die Grillschwaden, welche den Mitbewohnern in die Nase steigen: Streitigkeiten mit den Nachbarn  vergällen das Zusammenleben und landen oft vor dem Richter.

VON SARAH NIEDERER

Es gibt viele Gründe für nachbarschaftliche Auseinandersetzungen. Meistens haben sie banale Ursachen. So auch bei Brändlis, die sich ganz fürchterlich über die Äste des Apfelbaumes der Familie Studer ärgerten. Irgendwie verständlich, denn der Baum stand eigentlich viel zu nah an der Grenze zum Nachbarsgrundstück. Weil jedoch die ehemaligen Eigentümer der Liegenschaft ausdrücklich damit einverstanden waren, konnte sich der neue Besitzer
nicht mehr dagegen zur Wehr setzen. Damit ist der Ärger aber keineswegs begründet. Die Familie Studer war zwar verpflichtet, den Baum einmal im Jahr zurückzuschneiden, tat dies aber nur so bescheiden, dass die Äste nach kurzer Zeit wieder in das Grundstück ihrer Nachbarn ragten. Stein des Anstosses
war, dass der Apfelbaum dem Gartensitzplatz der Brändlis die Sonne raubte. Immer kurz bevor eine Klage drohte oder bereits ein Termin beim Friedensrichter feststand, schnitt die Familie Studer ihren Apfelbaum zurück – allerdings nur gerade so weit, dass Brändli die Sonne für wenige Wochen geniessen konnte, bis das ganze Spiel von vorne begann.

Jeder Vermittlungsversuch zwischen den beiden Parteien scheiterte. Die Familie Studer fand offenbar ihren Spass daran, ihrem Nachbarn mit dem üppig wachsenden Apfelbaum das Sonnenbad zu vermiesen. Das ging ein paar Jahre so weiter, bis sich Brändli in den Kopf setzte, ein Gerichtsverfahren – koste es, was es wolle – anzustrengen. Als alles in die Wege geleitet war, erschien er frohlockend in meiner Kanzlei und teilte mir mit, dass sich der Streitfall erledigt habe. Auf meine Frage, was genau zu diesem Sinneswandel geführt habe, grinste mich Brändli an und zeigte mir ein Foto des – während der  Ferienabwesenheit von Familie Studer – gefällten Apfelbaumes. Selbstverständlich blieb dies nicht folgenlos. Die Familie Studer scheute kein Straf- und Zivilverfahren, um das jähe Ende ihres Apfelbaums zu rächen. Aber so zufrieden, wie nach seiner – zweifelsohne nicht legitimen – Selbsthilfe habe ich Brändli noch nie gesehen. Er stand alle gegen ihn laufenden Verfahren aus, akzeptierte jedes Urteil und zog sich dann vermutlich in seinen Garten zurück, wo er nun endlich nicht mehr von einem Apfelbaum belästigt wurde. Wenn ich dieses Vorgehen niemandem ernsthaft empfehlen kann, ich hätte ihn mit der gerichtlichen Durchsetzung seiner Nachbarschaftsrechte nicht glücklicher machen können.

Lic. iur. Sarah Niederer ist Partnerin bei STEPHANI + PARTNER, Anwälte in Baden-Dättwil, www.stephani-partner.ch