Haben Sie schon oder nicht? Wollen Sie? Für viele ist eine Tätowierung (oder zwei oder viele) auf der Bucketlist. Chaqu’un à son goût, aber ab wann ist es ein lächerliches Unterfangen?

VON DÖRTE WELTI

Gar nicht, nie, sagt Maxime Plescia-Büchi. Wir treffen den 41-Jährigen weltberühmten Schweizer Tattookünstler anlässlich eines Events bei Hublot in Nyon, Büchi hat bereits eine Uhr für die Luxusuhren-Marke kreiert und sticht, sorry, legt jetzt nach. Für das Design hat er ein ikonisches Muster gewählt, das es auch als Tattoo gibt und das zu seinem Label Sang Bleu (blaues Blut, damit meint er die Tinte, nicht seins) passt.

Die Kooperation entstand überhaupt, weil Hublot, die sich mit Sportlern, Malern und schnellen Autos umgeben, einen Tattookünstler in ihrem Portfolio wissen wollten. Man sprach mit der ECAL (Ecole cantonale d’art de Lausanne) und bat die Designprofessoren, Vorschläge zu machen, wer eventuell dafür in Frage käme und schon ein internationales Renommée habe, Hublot verkauft schliesslich weltweit. Viele grossartige Künstler landeten auf der Liste, das Rennen machte Maxime Plescia-Büchi nicht zuletzt auch, weil er Schweizer ist, aus Lausanne sogar und damit dicht an den Wurzeln der Marke Hublot. Büchi absolvierte selbst die ECAL und unterrichtete dort, als die Anfrage kam.

Wie tickt Maxime Plescia-Büchi?

Die erste «Big Bang Sang Bleu» Uhr war/ist limitiert, es gibt sie in den Grüssen 39 und 45 Zentimeter Durchmesser, je nach Ausführung (also ob in King Gold, mit Diamanten oder wie auch immer) 100 oder 200 Stück. «Maxime ist jemand, der Tattoo in die Normalität geholt hat», begründet Hublot die Auswahl zusätzlich. Normal – hat denn zum Beispiel unser Chefredakteur Kurt Aeschbacher etwas verpasst, weil er sich (bis jetzt noch) kein Tattoo hat verpassen lassen (und es nach eigenen Angaben auch niemals never ever machen lassen würde)? Maxime Plescia-Büchi versteht die Frage nicht. «Tattoos sind Geschichten, für die man sich entscheidet», versucht der Beau zu erklären, «Man macht ja nicht ein Tattoo aus Spass, jedenfalls sollte man das nicht tun, es begleitet einen  ein Leben lang. Für das Tätowieren entscheidet man sich grundsätzlich. Es ist ein Lifestyle, eine Einstellung zum Leben.» Die nur unter grossem Aufwand rückgängig zu machen ist. «Man lässt es sich doch nicht stechen, um es dann wieder auszulöschen», konstatiert der Künstler. So solls sein.

Haben Tattoos ein Verfallsdatum?

Ich sehe mir den gut gebauten Mann mit straffer Haut an und frage mich, wie lange kann man denn mit gutem Gewissen die Entscheidung treffen, ein Tattoo auf – nun ja, eher welker Haut erstmals stechen zu lassen? Maxime schmunzelt. «Das habe ich noch nie überlegt, weil es kein Thema ist. Ein Tattoo ist ein Empowerment, es gibt Dir Stärke. Wann Du das machst, ist völlig egal. Und der Haut ist es auch völlig egal und mir sowieso. Tattoos feiern das Leben und jeder der es macht, wird sagen, dass schon allein der Akt des Tätowierens eine grosse Bedeutung für sie oder ihn hat. Das alleine zählt.» Tätowieren als bewusste Entscheidung, so wie er sich auch bewusst dafür entschieden habe, kein Auto zu fahren, er hat gar keinen Führerschein. «Der einzige Massstab bist Du selber», philosophiert der dreifache Vater. Schön gesagt.

Tätowieren philosophisch

Was da zwischen den Zeilen steht, ist sehr spannend, denn es macht deutlich, dass ein Tattoo nichts mit gängigen Schönheitsidealen zu tun hat. Wenn ich persönlich glaube, das faltige tätowierte Haut nicht schön anzusehen ist, ist es meine individuelle Meinung – und ein verzerrtes Schönheitsideal vielleicht. Jemand, der Zeit seines Lebens Tattoos trägt oder sich mit 80 das erste stechen lässt, den sollte das nicht interessieren. Ist dann vielleicht das Tätowieren der ultimative Akt, um in eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden, wo jeder so akzeptiert wird, wie sie oder er ist, egal welchen Alters/Geschlecht/Hintergrund? Egal welche Makel? Ich denke darüber nach, während mir auffällt, dass Maxime Plescia-Büchi nicht etwa schütteres Haar auf dem Haupt trägt, sondern seine beginnende Glatze mit einem Tattoo geschmückt hat und das erstaunlich graziös wirkt, wie eine majestätische Krone eines Stammesführers. «Ein Tattoo kann auch Poesie sein», bemerkt Maxime Büchi und grinst, als er mich erwischt, wie ich ihn anstarre. Er verschränkt die Arme, damit die Fotografen die neue Generation Big Bang Sang Bleu Uhren besser im Bild haben, ein Profi eben. Nach dem Anlass zieht es ihn flugs nach Los Angeles, wo seine Frau mit den drei Kids lebt, Plescia-Büchis haben dort anfangs 2019 eine Dependance des Tattoo- und Designstudios Sang Bleu aufgemacht. Aber keine Angst, das in Zürich bleibt bestehen. Falls Sie es sich doch überlegen. Oder Kurt. Oder Ich. Ink you there…

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