Christoph Fahrni (54)

von Benedikt Lachenmeier

«Ob ich jemals in die Schweiz zurückkehre? Ich wüsste nicht, wieso», lacht Christoph Fahrni. Vor 27 Jahren hat sich der Berner den Traum vom Landleben in der Toskana erfüllt. Zusammen mit seiner zwei Jahre älteren Schwester Isabelle betreibt der 54-Jährige etwa 30 Kilometer südöstlich von Pisa ein Weingut.

Unterhalb der Rebberge wohnt er mit Frau und Tochter in einem 300 Jahre alten, wunderschönen Landhaus. Das Geschäft läuft gut. Bis zu 15000 Flaschen dreier viel gelobter Weine produziert das Geschwisterpaar pro Jahr, die Sorte «Notte» gehört sogar zu den besten Supertuscans der Weinregion Colline Pisane. Und trotzdem sagt der Weinbauer: «Es ist schön, aber auch langweilig mit der Zeit. Wenn etwas aufgebaut ist, was willst du dann noch machen?» Er habe wieder Lust, sein Leben total zu verändern. Wie damals, als der Anthropologe nach dem frühen Tod seines Vaters mit Schwester und Mutter die Schweiz verliess, um fortan in Italien zu leben.

Sein Plan war das eigentlich nicht. «Ich wäre wahrscheinlich in Argentinien geblieben, wäre mein Vater nicht krank geworden», glaubt Fahrni. Nach dem Studium war er neun Monate lang in Südamerika unterwegs. «Ein Heimatgefühl hatte ich nie», sagt der Akademiker. Deshalb sei er auch einverstanden gewesen, mit der Familie ans Mittelmeer zu ziehen, so wie das seine Eltern nach der Pensionierung eigentlich vorgehabt hatten. Mit dem Erlös aus ihrem Haus in der Schweiz haben die Fahrnis dann das 8,2 Hektar grosse Weingut in der Nähe von Pisa gekauft. «Nach zwei Tagen hatten wir uns für die Villa Vestri entschieden – ohne zu wissen, was wir damit machen wollten», erinnert sich der Wahlitaliener. Klar war aber, dass der Hof die Familie ernähren sollte. «Wir hatten keine Ahnung von Landwirtschaft. Wir waren ja Städter », so Fahrni lachend. Zu Beginn züchteten sie Hühner und Schweine und hielten sich mit der Produktion von Heilkräutern und Olivenöl über Wasser.

«Unterdessen schlossen die Nachbarn im Wirtshaus Wetten ab, wie lange es die Schweizer hier wohl aushalten würden», erinnert sich der Berner. Dann legten sie den ersten Rebberg neu an. Da verstummten auch die Nachbarn. Das Know-how für die Weinherstellung entnahmen Fahrni und seine Schwester aus Büchern und holten zusätzlich den Rat von Experten ein. «Einen trinkbaren Wein zu produzieren ist nicht schwierig. Aber bei der Qualität kommt es auf die Details an. Da fehlte uns die Erfahrung.» Irgendwann musste sich das Geschwisterpaar überlegen: Wollen wir einen grösseren Betrieb mit Angestellten oder bleiben wir bewusst klein? Christoph und Isabelle entschieden sich für Letzteres. Doch geben die Rebberge inzwischen so viel zu tun, dass sie kaum mehr Zeit für andere Dinge haben – auch wenn ihre Freunde bei der Ernte helfen. Nun möchten sie die Villa Vestri mitsamt den Scheunen, Ställen und Rebbergen verkaufen.

Aber wie kann man ein solches Paradies einfach so verlassen, fragt man sich. «Nur die Entscheidung ist schwierig», weiss der Weinbauer. «Man muss mit dem alten Leben abschliessen. Aber ein neues anzufangen,
ist nicht kompliziert.» Und wie sieht die Zukunft aus? «Da bin ich ein wenig italienisch. Ich weiss noch nicht genau, was ich machen will», lacht Fahrni. «Irgendetwas, das mit Reisen und Objekten zu tun hat.» Sorgen macht er sich keine. «Ich glaube, ich bin jemand, der Glück hat in seinem Leben. Und so verhalte ich mich auch.» Der studierte Anthropologe ist überzeugt, dass er eine Aufgabe finden wird, die ihn befriedigen wird.

Sicher ist jedenfalls, dass Fahrni mit seiner Familie nach Pisa, also in die Stadt zieht. Das sei auch der Wunsch seiner 15-jährigen Tochter, die dort das Gymnasium besucht. Seine Schwester Isabelle hingegen möchte ans Meer ziehen. «Dort wird sie das Fenster aufmachen, hinaus aufs Wasser schauen und überlegen, wie es weitergehen soll.» Bis das Weingut verkauft ist, möchte Fahrni aber weitermachen wie bisher. «Obwohl diese Lebensphase eigentlich fertig ist, gebe ich immer noch vollen Einsatz. Wenn ich etwas mache, dann richtig.»