Rätselhafte Spuren im Säuliamt zwischen Zürich und Zug: Unsere Vorfahren stellten tonnenschwere Steine auf. Auf einer Wanderung kommt es zu überraschenden Begegnungen.

von Reto E. Wild aus dem Migros Magazin

Treffpunkt ist der Bahnhof Affoltern am Albis ZH, knapp eine halbe Zugstunde vom Hauptbahnhof Zürich entfernt. Hans Wiesner, Geschäftsführer des Wanderferienspezialisten Imbach, wartet auf den Journalisten des «Migros-Magazins» und legt gleich mit einer Fülle von Informationen los. Affoltern ist Bezirkshauptort mit gut 10 000 Einwohnern. Jakob Dubs, Bundespräsident von 1864, 1868 und 1870, stammte ebenfalls aus dem Säuliamt und sorgte dafür, dass die damalige Bauernregion zu ihrer ersten Bahnlinie kam, was zu einer zaghaften Industrialisierung mit einer Brauerei, einer Seidenweberei und einer Mosterei führte, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Affoltern am Albis ist Bezirkshauptort des Säuliamts. Dieser Brunnen im Zentrum stellt das dar.

Affoltern am Albis ist Bezirkshauptort des Säuliamts. Dieser Brunnen im Zentrum stellt das dar.

Aber deswegen sind wir nicht hier. Wir machen uns auf eine Wanderung von rund 8 Kilometern und einer Höhendifferenz von 150 Metern. Schon nach wenigen Fussminuten befinden wir uns am Waldrand und staunen über die schöne Landschaft entlang des Jonenbachs. Unser Ziel sind vorkeltische Steinreihen, Lochsteine und Menhiren aus der Megalithenzeit. «Ich habe beim Wandern mit meiner Frau diese tonnenschwere Steine entdeckt», sagt Wiesner, der auch Ägypten-Spezialist und GLP-Kantonsrat im Knonauer Amt ist. «Kulturelle Zusammenhänge interessieren mich. Und die Tatsache, dass ich diese Steinreihen quasi vor der Haustüre habe, hat meine Neugierde ausgelöst.»

Auf der Wandertour kommt es auch zur Begegnung mit schönen Landschaften.

Auf der Wandertour kommt es auch zur Begegnung mit schönen Landschaften.

Wiesner suchte nach Informationen und stiess so auf Richard Walker, der sich seit seiner Frühpensionierung mit der Erforschung megalithischer Steinsetzungen beschäftigt. Heute, so Wiesner, nehme man an, dass die aufgestellten Steine von Menschen stammten, die im Säuliamt rund 1100 vor Christus lebten. «Was das für ein Volk war, lässt sich nicht sagen». Klarer ist die Bedeutung der Steinreihen. Wiesner vermutet, dass diese eine Art Kalender gewesen sein könnten. Kalender seien damals Wissens- und Machtvorsprung gewesen. Oder aber die Steine, die aus dem Reussgletscher stammten, seien Kraft- und Kultorte gewesen.

«Die Schweizer Geschichte beginnt nicht erst mit dem Rütlischwur», betont Wiesner, der selbst in der Region wohnt und seit Anfang 2014 Touren unter dem Titel «Stonehenge im Säuliamt» anbietet, weil die Steine an jene im englischen Stonehenge erinnern. Er erzählt von den Ursprüngen der Megalithenkultur, die sich vom Schwarzen Meer über Malta, Yverdon, Irland und bis zu den Orkney-Inseln ausbreitete. Die tonnenschweren Steine im Säuliamt seien wohl von Männern mit einem Netz aus grossen Seilen transportiert worden. Das Rad war damals unbekannt.